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Ein Vorbild für deutsche Diplomaten: Reichsaußenminister Gustav Stresemann (Mitte), der für seine Politik des Ausgleichs den Friedensnobelpreis erhielt.

© imago images / Photo12

150 Jahre Auswärtiges Amt: Von Otto von Bismarck bis Heiko Maas

Es ist ein besonderes Ministerium der Bundesregierung, und es hat eine lange Geschichte. Das AA blickt zurück auf Erfolge und Verbrechen deutscher Diplomaten.

Von Hans Monath

Wenn es ernst wird, sind die Krisen der Gegenwart wichtiger als die der Vergangenheit. Ursprünglich hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch vor den Mitarbeitern des Auswärtigen Amts (AA) das Jubiläumsjahr zu dessen 150. Bestehen eröffnen wollen. Doch weil der Ressortchef in Brüssel bei den Verhandlungen über die Entwicklung im Mittleren Osten und in Nordafrika unabkömmlich war, hielt Staatsminister Niels Annen (SPD) für ihn die Rede. Das Jubiläum sei „kein Anlass für große Jubelfeiern“, mahnte er. Die deutsche Diplomatie habe in dieser Zeit „zu oft ihren moralischen Kompass verloren“.

Noch heute trägt das Auswärtige Amt den Namen jener Behörde, die durch einen am 8. Januar 1870 unterzeichneten Erlass für den Norddeutschen Bund geschaffen wurde, den Vorläufer des ein Jahr später ausgerufenen Deutschen Reichs. Auch der Name „Drahterlass“ für verschlüsselte Botschaften an die Zentrale erinnert noch an den Geist des späten 19.Jahrhunderts, als Reichskanzler Otto von Bismarck mit seinen sorgsam austarierten Bündnissen die Mächte im Gleichgewicht halten wollte. Der Aufbau des Amtes ähnelt immer noch seinem Ursprung, auch wenn mittlerweile rund 12.000 Mitarbeiter in der Zentrale und in 227 Auslandsvertretungen Deutschland nach außen vertreten. Während andere Fachressorts schlicht „Bundesministerium“ heißen, verweist der besondere Name des AA auch auf das große Selbstbewusstsein seiner Mitarbeiter. In den höheren Dienst wird dort nur übernommen, wer nach dem Studium noch eine zweijährige, hauseigene Ausbildung als Attaché erfolgreich absolviert.

Von der Politik der großen Mächte unterscheidet sich die Welt 150 Jahre später allerdings fundamental, deren über Jahrzehnte gewachsene Ordnung sich nun unaufhaltsam aufzulösen scheint. Und auch die Aufgabe der Diplomaten und längst auch der Diplomatinnen hat sich geändert. Der Vorstellung einer machtpolitischen Behauptung durch nationale Souveränität wird ihnen jedenfalls nicht gelehrt. Stattdessen haben sie sich der Stärkung Europas und dem Multilateralismus verschrieben, den auch Maas beschwört.

Im Jubiläumsjahr will sich das AA auch den dunklen Seiten seiner Vergangenheit stellen. Dazu gehört die Beteiligung deutscher Diplomaten an den Verbrechen des Kolonialismus im Kaiserreich, vor allem aber ihre Beiträge zur NS-Vernichtungsmaschinerie. Auf die wurde eine breite Öffentlichkeit im Herbst 2010 aufmerksam, als das Buch „Das Auswärtige Amt und die Vergangenheit“ erschien. Es war das Werk einer unabhängigen Historikerkommission, die Außenminister Joschka Fischer fünf Jahre zuvor eingesetzt hatte.

Der Grünen-Politiker reagierte damit auf den Widerstand aus Teilen seines Ministeriums, dass er offizielle Nachrufe für Ex-NSDAP-Mitglieder unter den Diplomaten verboten hatte. Das Werk wurde von Fachhistorikern im Einzelnen scharf kritisiert, entfaltete aber große Wirkung, als etwa bekannt wurde, dass der Diplomat Franz Rademacher als Grund für eine Dienstreise nach Budapest „Liquidation von Juden“ in ein Abrechnungsformular eingetragen hatte.

Aber auch um Erfolge soll es gehen. Zu Anfang der Weimarer Republik schien der Handlungsspielraum der deutschen Diplomatie noch gering, doch die Versöhnungspolitik von Außenminister Gustav Stresemann (1923 bis 1929) trug ihm den Friedensnobelpreis ein. In der Zeit der Bundesrepublik dürften die AA-Planer vor allem die Ost- und Entspannungspolitik von Willy Brandt (später ebenfalls Nobelpreisträger) und Hans-Dietrich Genscher, die 2 + 4-Verhandlungen zur deutschen Einheit sowie in jüngster Zeit die Verhinderung eines offenen Krieges zwischen Russland und der Ukraine durch das Minsk-Abkommen würdigen.

Sofern die Bestandsaufnahme ehrlich ausfällt, müssten allerdings auch die Grenzen deutscher Diplomatie thematisiert werden. Dazu gehört das absehbare Scheitern des Atomabkommens mit dem Iran, in das deutsche Außenminister und Top-Diplomaten über Jahre viel Kreativität, Ausdauer und Tatkraft investiert hatten. Die Chancen, es zu retten, sind gering, versuchen wollen es die EU- Außenminister und ihre Helfer trotzdem.

Das ganze Jahr über will das AA mit Veranstaltungen seine Geschichte thematisieren. Auf die Rede für die Mitarbeiter soll im März auch eine öffentliche Feierstunde folgen.

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