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Politik: 150 Tote bei Kämpfen in Afghanistan

Aufständische kamen über die pakistanische Grenze / Taliban haben wieder mehr Zulauf

Bei schweren Kämpfen im Osten Afghanistans sind nach Angaben der Nato 150 Rebellen der Taliban getötet worden. Eine größere Gruppe von Kämpfern der Islamisten sei aus Pakistan eingedrungen, hieß es. Die Nato setzte Artillerie und Kampfbomber ein. Mit beiden Mitteln ist jedoch ein Partisanenkrieg, wie die Taliban ihn der Antiterrorkoalition und der Schutztruppe (Isaf) in den vergangenen Monaten verstärkt versuchen aufzuzwingen, nicht zu gewinnen.

Die Nato hat ihre Kontingente in letzter Zeit zwar erheblich aufgestockt – vor allem im Süden, der traditionell eine Hochburg der Gotteskrieger ist und von der schwachen Zentralregierung in Kabul nach wie vor nicht kontrolliert wird. Dennoch zeichnet sich bisher keine Trendwende ab. Im Gegenteil: Die Taliban haben sich längst erfolgreich umgruppiert und diktieren Kabuls Regierungstruppen und deren westlichen Verbündeten meist sogar Ort, Zeit und häufig auch die Taktik der Gefechte. Kurzum: sie haben das, was Militärtheoretiker die „strategische Initiative“ nennen.

Wegen des unübersichtlichen Frontverlaufs – Markenzeichen für jeden Partisanenkrieg – bombardierte die Allianz im Herbst versehentlich sogar eigene Stellungen. Bei weiteren „Präzisionsschlägen“ Washingtons und seiner Hilfstruppen kamen bisher fast 4 000 Zivilisten um. Derartige „Kollateralschäden“ und die Tatsache, dass die Schutztruppe Isaf zunehmend Aufgaben der Antiterrorkoalition übernimmt und somit zu aktiven militärischen Handlungen gezwungen ist, sorgen dafür, dass die Afghanen westliche Soldaten mehr und mehr als Okkupanten wahrnehmen, die noch dazu ziemlich unsensibel versuchen, der Bevölkerung ihre Werte anzudienen. Dazu kommt, dass westliche Aufbauhilfen bisher spärlich fließen. Zum einen wegen der nach wie vor hohen Sicherheitsrisiken, zum anderen, weil die zerrüttete afghanische Wirtschaft sie gar nicht absorbieren kann. Viele Projekte gehen auch an den realen Bedürfnissen einfach vorbei und setzen, statt auf Nachhaltigkeit, auf schnelle Erfolge.

All das verschafft den Taliban erneut Zulauf. Außerdem profitieren sie von den Spannungen zu Pakistan. Unter dem Druck seiner Paschtunen – Afghanistans Mehrheitsvolk und unumschränkter Herr der pakistanischen Nordwestterritorien, wo die Regierung in Islamabad so gut wie nichts zu melden hat - weigert Präsident Hamid Karsai sich, die 2600 km lange Durand-Linie als Grenze anzuerkennen. Sie wurde 1893 von den Briten als Demarkationslinie zwischen der Kronkolonie Britisch-Indien und Londons Protektorat Afghanistan gezogen. Die Paschtunen sind seither ein geteiltes Volk und haben den Traum von einem Großpaschtunistan nie aufgegeben.

Paschtunen sind auch tonangebend in Pakistans Geheimdienst ISI, der den Taliban – auch sie sind fast ausschließlich Paschtunen – auf pakistanischem Gebiet die Einrichtung von Stützpunkten erlaubte. Auch deshalb scheiterten bisher alle Nato-Offensiven. Allerdings hat Pakistan auf Druck Washingtons im Herbst die Grenze an einzelnen Abschnitten einseitig befestigt und, wie es in Kabul heißt, sogar vermint.

Von den Differenzen zwischen Kabul und Islamabad profitiert auch Pakistans Erzrivale in der Region: Iran. Traditionell Schutzmacht der tadschikischen Volksgruppe, unterstützte Teheran schon die von Tadschiken dominierte Nordallianz, die die Hauptlast im Kampf gegen die Taliban trug. Jetzt setzt der Iran auf deren Mehrheit im oppositionellen Parlament.

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