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Peter Weiss.

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1968 - 50 Jahre Studentenrevolte: Großes Theater am Theater

Am Theater Schlug die Stunde der Regisseure wie Claus Peymann, Peter Zadek, Peter Stein und anderen. Um die künstlerische Nachfolge sorgten die Herren indes weniger.

Der kürzlich mit 87 Jahren in Berlin verstorbene Bühnenbildner Wilfried Minks war eine Schlüsselfigur der bundesdeutschen Theaterrevolution. Er öffnete den Raum für Regisseure wie Peter Zadek und Peter Palitzsch und gehörte – schon vor 1968 – zum Team um den Intendanten Kurt Hübner, der Bremen für kurze Zeit zur Theatermetropole machte, zum Zentrum des Aufbruchs in eine neue Zeit. Peter Stein inszenierte 1969 Goethes "Torquato Tasso" mit Bruno Ganz in der Titelrolle. Das klassische Stück wurde zum Exempel der Auseinandersetzung von Macht und Kunst, so elegant wie aggressiv in der Spielweise.

Die Künstler sahen die Chance, die Rolle des Hofclowns loszuwerden. Kurz zuvor war Peter Stein bei den Münchner Kammerspielen rausgeflogen, nach einer Aufführung des "Viet Nam Diskurses" hatte man für den Vietcong die Sammelbüchse herumgehen lassen. 1970 wurde Stein künstlerischer Leiter der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin. Das Eröffnungsstück war "Die Mutter" von Brecht/Gorki, mit Therese Giehse. "Kommunistenbühne", hieß es damals. Volker Ludwigs Grips Theater legte los.

Auch im Theater bekämpften die Jungen die Nazi-Väter. Stein freilich lernte viel von Fritz Kortner, dem nach dem Krieg zurückgekehrten Regisseur und Juden. Es war eine fruchtbare Zeit der Autoren, Rolf Hochhuth, Tankred Dorst und Peter Weiss. Das Theater verhandelte die großen gesellschaftlichen Themen und war ein Leitmedium. Für die Generation der damals jungen Regisseure wie Claus Peymann, Stein und dem etwas älteren Peter Zadek bot das bundesdeutsche Theatersystem fantastische Karrierechancen.

Die Aufrührer und Helden endeten fast alle ohne Nachfolge und auch verbittert

Die 68er sollten ihre Alten an künstlerischer Machtfülle und später auch Selbstherrlichkeit übertreffen. Mitbestimmungsmodelle im Ensemble setzten sich nicht durch. Am Beispiel der Schaubühne lässt sich erkennen, wie die Klassiker neu erprobt und mit frischen Traditionen weitergetragen wurden. Und wie sich schnell eine neue Bürgerlichkeit ausbildete, die in den Stücken des ehemaligen Schaubühnen-Dramaturgen Botho Strauß blühte. Es war eine Zeit für Legenden.

Peter Handkes Experimentaltexte („Publikumsbeschimpfung“, „Kaspar“) gaben eine Initialzündung. Da traten Schauspieler zum ersten Mal in Popstar-Posen auf. Die ästhetische Erneuerung ging weiter als die politische. Zu 1968 gehört im Theater aber auch, dass fast alle diese Aufrührer und Helden als Eminenzen ohne künstlerische Nachfolger geendet sind, manche in der Toskana, manche verbittert oder beides.

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