zum Hauptinhalt
Werner Schulz

© dpa

20 Jahre Bündnis 90/Die Grünen: Werner Schulz: „Ich fühle mich nicht fremd, aber auch nicht unbedingt heimisch“

Vor 20 Jahre fand der Vereinigungsparteitag von Bündnis 90 und Grünen in Leipzig statt. Der DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz zieht im Interview eine Bilanz.

Von Matthias Meisner

Herr Schulz, im März haben die Grünen 30 Jahre im Bundestag im Tempelhofer Flughafengebäude gefeiert. An die Fusion der Partei mit Bündnis 90 vor 20 Jahren erinnert sich die Partei im Gleimtunnel am Mauerpark. Wer hat sich denn diese Symbolik ausgedacht?

Das geht stark auf unsere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke zurück, die die Tradition von Bündnis 90 hochhält. Aber das ist offenbar nicht allen in der Partei so wichtig. Während in Tempelhof ein großartiges Fest gefeiert wurde, bei dem wir in den Wahlkampf abgehoben sind, fand das Erinnern am Dienstagabend fast im Untergrund statt. Obwohl der Grundstein für den Erfolg der Partei wohl wesentlich eher im Zusammengehen zwischen Bündnis 90 und den Grünen liegt als im Einzug in den Bundestag zehn Jahre zuvor.

Im Mai 1993 fand der erste gemeinsame Parteitag statt, in Leipzig. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Ereignis?

Die angenehmsten, weil wir es geschafft hatten, eine deutsch-deutsche Vereinigung auf Augenhöhe hinzubekommen, so wie wir uns die 1990 auch staatlich gewünscht hatten. Parteiintern allerdings ist das für uns vom Bündnis 90 dann später nicht ganz so glücklich gelaufen, wir wurden in der Gemeinschaft ein bisschen marginalisiert, auch wenn der Vereinigungsparteitag selbst ein großer Erfolg war.

Das Bündnis ist keine Erfolgsgeschichte?

Doch. Wir haben den Politikstil bei den Grünen verändert, auch die Inhalte. Personell aber waren wir wesentlich schwächer, wir verschwanden dann auch aus fast allen ostdeutschen Landtagen. Es war ein langer, reibungsvoller und auch verlustreicher Weg, bis wir den Wiedereinzug geschafft haben.

Dennoch hinken die Ost-Grünen, was Mitgliederzahlen und Wahlerfolge angeht, noch hinterher. Woran liegt das?

Im Osten ist die ehemalige PDS als Linkspartei eine sehr starke Bastion. Wir haben es schwer gehabt, uns da wieder aufzurappeln. Im Westen ist es umgekehrt: Wir sind stark und die Linkspartei ist schwach. Dennoch: Die Bündnisgrünen sind die einzige Partei, die das Datum der deutschen Vereinigung im Namen trägt. Alle anderen Namen, die es zu dieser Zeit gegeben hat – Demokratie jetzt, Demokratischer Aufbruch, Initiative Frieden und Menschenrechte, Neues Forum – gibt es nicht mehr. Aber es gibt noch Bündnis 90. Das erinnert an ein spektakuläres politisches Jahr 1990, selbstkritisch auch an die spektakuläre Niederlage der West-Grünen damals bei der Bundestagswahl.

Fühlen Sie sich gelegentlich fremd in Ihrer Partei?

Nein. Ich habe schwere Zeiten erlebt, aber das gehört dazu. Wer kämpft, kann verlieren. Ich fühle mich nicht unbedingt heimisch in der Partei, aber auch nicht fremd.

Nerven Sie die immer wiederkehrenden Ost-Debatten etwa um Angela Merkel und ihre DDR-Biographie?

Nein, diese Debatten nerven mich nicht. Aber sie lassen oft auch sehr wenig Kenntnis über diese DDR spüren. Da reden viele mit, die diese totalitäre Diktatur nicht erlebt haben, und was es heißt, ein anständiges Leben in einer Diktatur geführt zu haben, welche Anpassungsprozesse auch dazugehörten. Das erlebt man gerade auch bei Angela Merkel. Was jetzt über sie kolportiert wird, beruht auf Fehleinschätzungen. Angela Merkel ist eine ehrliche Haut, sie hat ein anständiges Leben in der DDR geführt.

Werner Schulz (63), geboren in Zwickau, ist das Gesicht der DDR-Bürgerrechtler bei den Grünen. Von 1990 bis 2005 saß er im Bundestag, seit 2009 ist er Europaabgeordneter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false