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Ein Tag, der die Welt veränderte: Am 11. September 2001 brennen die Türme des  World Trade Center in New York.

© dpa/Uncredited

20 Jahre nach „9/11“: Die Freiheitsrechte bleiben eingeschränkt

Nur für kurze Zeit seien Grundrechtseingriffe nötig, hieß es nach „Nine Eleven“. Eine neue Studie zeigt: Die G20-Staaten brechen dieses Versprechen noch immer.

Von Hans Monath

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) ihr Versprechen gebrochen, Freiheitsrechte nur zeitlich begrenzt und nur gezielt zur Bekämpfung der terroristischen Bedrohung einzuschränken. Dies ist das Ergebnis einer länderübergreifenden Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zwanzig Jahre nach den Anschlägen, die dem Tagesspiegel vorliegt.

„In demokratischen Staaten bleiben viele der ursprünglich zeitlich befristeten, weil massiven Eingriffe in die Privatsphäre, etwa bei der Überwachung der Telekommunikation, der Speicherung von Telekommunikationsdaten oder der Erfassung biometrischer Merkmale, in Kraft und wurden durch die Aufnahme in dauerhaftes Recht normalisiert“, schreibt Studienautor und Politikwissenschaftler Josef Braml, der den Werdegang von Gesetzen in den 20 Ländern penibel auflistet. Auch in Deutschland sind seiner Darstellung zufolge sechs nach „Nine Eleven“ erlassene Antiterrorgesetze weiter in Kraft.

Politisch Verantwortliche in den meisten untersuchten Ländern hätten nach dem 11. September 2001 oder nach weiteren Attentaten die Terrorgefahr „als eine für den Staat existenzielle Bedrohung überhöht und damit einen Ausnahmezustand geschaffen“, urteilt Braml. Im Kampf oder gar „Krieg“ gegen den Terrorismus hätten damit andere Maßstäbe angelegt werden können.

Osama bin Laden, der Mann hinter den Anschlägen (Archivbild)
Osama bin Laden, der Mann hinter den Anschlägen (Archivbild)

© Reuters/Russell Boyce

Nichtdemokratische Länder hätten sich damit ein Instrument geschaffen, um Kritiker auszuschalten: „Autoritäre Staaten wie Russland, China, Saudi-Arabien und die Türkei nutzen den ,Krieg gegen den Terror‘ und die Doppelmoral des Westens nach wie vor als willkommene Rechtfertigung, um unliebsame Regimegegner und Oppositionelle in ihren Ländern mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen.“

Die mit zeitlichem Abstand vorgenommene Untersuchung zeige, „dass Nine-Eleven im Resultat auch ein Anschlag auf bürgerliche Freiheiten gewesen ist und zwar weltweit“, sagte Michael Bröning, Leiter des New Yorker FES-Büros, das die Studie in Auftrag gab, dem Tagesspiegel. Die Flugzeuge seien in den USA zum Absturz gebracht worden, aber Freiheitsrechte seien global zurückgeschraubt worden.

Bröning verwies zudem auf aus seiner Sicht beunruhigenden Parallelen zum aktuellen Kampf vieler Staaten gegen die Corona-Pandemie. „Das ist auch ein Menetekel für die aktuellen Freiheits-Einschränkungen der Pandemiebekämpfung“, meinte er: „Die Krise geht, die Einschränkungen bleiben – das ist die andere bittere Bilanz des 11. Septembers“, welche die Studie belege. Gerade Demokratien müssten sich dieser Gefahr „bewusst entgegenstellen“, forderte er.

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Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kommt in ihrem Vorwort zu der Studie zu dem Schluss, auch Deutschland sei vor sicherheitspolitischem Übereifer „nicht vollends gefeit“. Zugleich bestehe jedoch aller Anlass zur Zuversicht, dass der freiheitliche Rechtsstaat „gerade auch dieser Herausforderung gewachsen“ sei. Besonders auf eine Institution baut die Ministerin. „Das Bundesverfassungsgericht ist ein Fels in der Brandung, wenn es darum geht, grundrechtliche Freiheiten gegen ungerechtfertigte Sicherheitsansprüche zu verteidigen“, schreibt sie. In der Vergangenheit habe es den Sicherheitsgesetzgeber „immer wieder in die Schranken verwiesen“.

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