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20 Jahre Tschernobyl: Zehntausende gedenken der Katastrophe

Mit Gottesdiensten und Schweigeminuten haben zehntausende Menschen am Mittwoch der Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl vor 20 Jahren gedacht.

Kiew/Moskau/Rom - Am Ort der Tragödie erinnerte der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko an das Schicksal unzähliger Tschernobyl-Opfer. Auf dem Roten Platz in Moskau nahm die Polizei ein Dutzend Atomgegner fest, die gegen die fortdauernde Nutzung von Kernkraft in Russland demonstriert hatten. Unter Wissenschaftlern herrscht bis heute Streit über das Ausmaß der Reaktorkatastrophe vom 26. April 1986, die auch in der 1500 Kilometer entfernten Bundesrepublik viele Menschen in Panik versetzte. Papst Benedikt XVI. rief am Mittwoch dazu auf, Atomenergie nur friedlich zu nutzen.

Bereits in der Nacht zum Mittwoch versammelten sich in der abgesperrten Zone von Tschernobyl sowie im Kiewer Stadtzentrum hunderte Menschen im Gedenken an die schlimmste Atomkatastrophe der Geschichte. Um 1.23 Uhr (Ortszeit) läuteten vielerorts in der Hauptstadt die Glocken. Zu diesem Zeitpunkt war vor 20 Jahren der vierte Reaktorblock von Tschernobyl nach einem gescheiterten Experiment explodiert. Der Unfall setzte eine gewaltige radioaktive Strahlung frei, etwa 500 Mal stärker als nach dem Atombombenabwurf auf Hiroschima 1945. Bis heute sind weite Teile Weißrusslands sowie Grenzregionen in der Ukraine und Russland verstrahlt.

Präsident Juschtschenko zeigte sich zuversichtlich, dass in Kürze mit ausländischer Finanzhilfe der seit Jahren geplante Bau einer neuen Schutzhülle um den Reaktor begonnen werden könne. Nach der Katastrophe hatten Hunderttausende Einsatzhelfer, so genannte Liquidatoren, einen provisorischen Betonmantel um den explodierten Reaktor errichtet, der an vielen Stellen gerissen ist und einzustürzen droht.

Juschtschenko kündigte an, die Zone um den Reaktor in der Zukunft wieder besiedeln zu wollen. «Für Hunderttausende oder vielleicht Millionen Menschen, die nun über die Ukraine verstreut leben, ist dieses Stück Land heilig», betonte der Präsident. Trotz der Proteste von Atomgegnern bekräftigte Juschtschenko die Absicht, mehrere Zwischenlager für radioaktive Abfälle in der Region fertig zu stellen.

Dauerstreit über Katastrophenfolgen

Die Gedenkfeiern zum 20. Jahrestag von Tschernobyl wurden vom Dauerstreit über die Ausmaße der Katastrophe überschattet. Während manche Studien von langfristig maximal 4000 Toten ausgehen, sprechen Atomkraftgegner von bis zu 100 000 Toten. Juschtschenko hatte am Montag auf einer Konferenz in Kiew gesagt, in den Registern und offiziellen Statistiken fehlten die Namen von «Hunderttausenden Opfern der Tschernobyl-Katastrophe». Bis heute leben in Weißrussland, der Ukraine und Russland etwa fünf Millionen Menschen in verstrahlten Gebieten.

In der weißrussischen Hauptstadt Minsk wurden am Abend tausende Menschen zu einem Tschernobyl-Marsch erwartet. Die Veranstaltung ist traditionell zugleich eine Protestkundgebung gegen das Regime von Staatspräsident Alexander Lukaschenko. (tso/dpa)

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