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Trümmerhaufen. Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und der Chef der Reichskanzlei, Martin Bormann (l.), im zerstörten Raum der Karten-Baracke.

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20. Juli 1944. Attentat auf Hitler im Ticker: 24 Uhr: Erschießung der Widerstandskämpfer um Stauffenberg

Als Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 vom Flughafen in Berlin-Rangsdorf startet, hat er eine Mission: Adolf Hitler mittels einer Bombe in seinem Führerhauptquartier "Wolfsschanze" zu töten. Doch der Tag läuft nicht nach Plan. Ein historischer Rückblick im Ticker-Format.

08.00 Uhr: Der Reichshauptstadt steht ein heißer Sommertag bevor. Am Flughafen Berlin-Rangsdorf startet ein zweimotoriges Kampfflugzeug vom Typ Heinckel He 111. An Bord sitzt Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg mit seinem Adjutanten, Oberleutnant Werner von Haeften, im Gepäck zwei Pakete Sprengstoff. Ihr Ziel: die Wolfsschanze, das Führerhauptquartier in der Nähe von Rastenburg in Ostpreußen. Als Chef des Stabes im Allgemeinen Heeresamt soll Stauffenberg bei der Lagebesprechung mit Hitler berichten, wie die Rote Armee an der Ostfront abgewehrt werden soll.

10.15 Uhr: Nach der Ankunft am Flugplatz lassen sich Stauffenberg und von Haeften zur sechs Kilometer entfernten Wolfsschanze chauffieren.

11.30 Uhr: Stauffenberg meldet sich im Führerhauptquartier bei Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Er erfährt, dass die ursprünglich für 13 Uhr angesetzte Besprechung bei Hitler wegen des Besuchs des italienischen „Duce“ Benito Mussolini bereits um 12.30 Uhr in der Lagebaracke im inneren Sperrkreis stattfinden soll.

12.15 Uhr: Stauffenberg bittet unter dem Vorwand, sich für den Vortrag beim Führer ein frisches Hemd anziehen zu wollen, um einen separaten Raum. Er zieht sich mit seinem Adjutanten zurück, um die Bombe scharf zu machen. Die knappe Zeit reicht nur, um einen der beiden Sprengsätze mit Zeitzünder zu versehen, ehe Stauffenberg zur Lagebesprechung gerufen wird. Von Haeften bleibt mit dem zweiten Sprengsatz zurück – ein Fehler, der Hitler vermutlich das Leben rettet.

12.30 Uhr: Im Bendlerblock in Berlin versammeln sich die Köpfe der Verschwörung: Hauptmann Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld, Generaloberst Erich Hoepner, Polizeivizepräsident Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Oberregierungsrat Peter Graf Yorck von Wartenburg, Eugen Gerstenmaier und Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, der Bruder des Attentäters.

12.35 Uhr: Die Lagebesprechung hat bereits begonnen, nicht – wie üblich – in einem Betonbunker, sondern in einer Holzbaracke, wie Stauffenberg erst auf dem Weg dorthin erkennt. Er betritt das Zimmer, in dem General Adolf Heusinger gerade vom Stand der Dinge an der Ostfront berichtet. Er deponiert die Tasche mit der Bombe neben dem Fuß des massiven Eichentisches (siehe Grafik). Kurz darauf verlässt Stauffenberg das Zimmer, angeblich, um ein Telefonat zu führen.

12.42 Uhr: Die Bombe detoniert. In der Holzbaracke sind zum Zeitpunkt der Explosion wegen der sommerlichen Hitze alle Fenster geöffnet, dadurch kann viel Druck entweichen. Im Betonbunker wäre die Sprengwirkung deutlich heftiger gewesen. Vier Männer sind tödlich verletzt, neun weitere schwer. Hitler trägt nur leichte Blessuren davon. Wie bei allen anderen Anwesenden sind ihm die Trommelfelle geplatzt. Mit Sicherheit, sagen Experten später, hätte im Raum niemand überlebt, wenn auch der zweite Sprengsatz mit explodiert wäre.

12.45 Uhr: Aus sicherer Entfernung beobachtet Oberst Stauffenberg die Explosion. Zusammen mit Adjutant von Haeften verlässt er den Sperrkreis. Sie sind überzeugt: Hitler ist tot. An der Außenwache Süd werden beide kurz aufgehalten, doch der ausgelöste Alarm hat noch nicht alle erreicht. Sie dürfen passieren. Auf der Fahrt zum Flugplatz wirft von Haeften das zweite Sprengstoffpaket aus dem Wagen.

Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg in einer Aufnahme aus den frühen 1930er Jahren (Archivfoto). Während seiner erfolgreichen militärischen Laufbahn war er zunächst von Hitlers Erfolgen beeindruckt, die Empörung über den Terror in den besetzten Gebieten ließ ihn jedoch zur treibenden Kraft des Widerstands werden.
Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg in einer Aufnahme aus den frühen 1930er Jahren (Archivfoto). Während seiner erfolgreichen militärischen Laufbahn war er zunächst von Hitlers Erfolgen beeindruckt, die Empörung über den Terror in den besetzten Gebieten ließ ihn jedoch zur treibenden Kraft des Widerstands werden.

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13.05 Uhr: NS-Propagandaminister Joseph Goebbels erhält in Berlin Nachricht von einem Anschlag auf Hitler, jedoch ohne Einzelheiten zu erfahren.

13.10 Uhr: General Erich Fellgiebel, Mitverschwörer und Chef der Nachrichtentruppe des Heeres, sieht Hitler Minuten nach der Explosion und meldet in den Bendlerblock: Es ist etwas Furchtbares passiert – der Führer lebt. Anschließend verhängt Fellgiebel eine Nachrichtensperre in der Wolfsschanze, um weitere Verbindungen nach Berlin zu verhindern – nur die SS verfügt noch über offene Leitungen. Die Offiziere im Bendlerblock reagieren ratlos. Statt wie vereinbart sofort den „Walküre“-Befehl zu geben und das Ersatzheer zu mobilisieren, warten sie ab. General Friedrich Olbricht, der Kopf der Operation, geht mit Generalleutnant Fritz Thiele ausgiebig Mittag essen. Der Staatsstreich gerät ins Stocken.

13.15 Uhr: Stauffenberg und von Haeften besteigen das Flugzeug nach Berlin. Für zwei Stunden bleiben sie für Nachfragen ihrer Mitverschwörer im Bendlerblock unerreichbar, etwa so lange, wie Olbricht und Thiele in aller Ruhe im Casino speisen.

In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist auch Foto der Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg (li.) und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim zusehen.
In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist auch Foto der Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg (li.) und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim zusehen.

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14.00 Uhr: SS-Reichsführer Heinrich Himmler ruft aus der Wolfsschanze in Berlin den Chef der Reichskriminalpolizei Arthur Nebe – einen der Mitverschwörer – an und fordert ihn auf, Ermittlungen wegen des Anschlags einzuleiten. Danach schaltet Himmler Gestapo-Chef Heinrich Müller ein und gibt den Befehl, Stauffenberg verhaften zu lassen.

15.15 Uhr: Das Flugzeug mit Stauffenberg und von Haeften ist in Rangsdorf gelandet. Oberleutnant Werner von Haeften eilt sofort zum Telefon. Er versichert den Verschwörern in der Bendlerstraße: Hitler ist tot.

15.30 Uhr: General Olbricht lässt Fernschreiben an die Wehrkreiskommandos vorbereiten. „Der Führer Adolf Hitler ist tot“, heißt es darin. „Eine Clique frontfremder Parteiführer“ wolle die Lage ausnutzen, „um der schwerringenden Front in den Rücken zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zwecken an sich zu reißen“.

15.30 Uhr: In Paris geht die Meldung über Hitlers Tod und die Bildung einer neuen Regierung unter dem Politiker Carl-Friedrich Goerdeler und General Ludwig Beck ein.

16.00 Uhr: General Olbricht im Büro von Generaloberst Friedrich Fromm: Der Befehlshaber des Ersatzheeres soll die „Walküre“-Befehle unterschreiben. Fromm zögert. Er will Gewissheit und lässt sich mit Generalfeldmarschall Keitel in der Wolfsschanze verbinden. Die Nachrichtensperre ist inzwischen aufgehoben. Keitel erklärt, das Attentat sei fehlgeschlagen. „Der Führer ist nur unwesentlich verletzt!“ Fromm weigert sich daraufhin, die Befehle zu unterschreiben: „Es besteht kein Anlass für übereilte Maßnahmen.“

16.00 Uhr: Generalfeldmarschall Keitel lässt alle Wehrkreiskommandos über das Scheitern des Attentats informieren. Am Führerhauptquartier trifft Mussolini ein. Hitler zeigt ihm die zerstörte Lagebaracke.

16.15 Uhr: Olbrichts Stabschef, Oberstleutnant Albrecht Mertz von Quirnheim, setzt Fernschreiben an die Wehrkreiskommandos eigenmächtig ab. Der Inhalt: Die Reichsregierung habe den militärischen Ausnahmezustand verhängt, das Ersatzheer soll Reichsminister, NSDAP-Gauleiter und KZ-Wachmannschaften festnehmen und strategisch wichtige Stellen besetzen.

Propagandaminister Joseph Goebbels beauftragt am Abend des 20. Julis den Kommandeur des Wachbataillons „Groß-Deutschland“ in Berlin, Major Otto Ernst Remer, den Militärputsch niederzuschlagen.
Propagandaminister Joseph Goebbels beauftragt am Abend des 20. Julis den Kommandeur des Wachbataillons „Groß-Deutschland“ in Berlin, Major Otto Ernst Remer, den Militärputsch niederzuschlagen.

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16.30 Uhr: Stauffenberg trifft in der Bendlerstraße ein und erfährt, dass die Operation „Walküre“ noch kaum angelaufen ist. Er telefoniert mit seinem Cousin Oberstleutnant Caesar von Hofacker in Paris und versichert ihm, Hitler sei tot. Wenig später steht Stauffenberg in Begleitung von General Olbricht vor Fromm und behauptet dasselbe. Doch der Kommandeur des Ersatzheeres beruft sich auf Keitels gegenteilige Aussage. Es folgt ein heftiges Wortgefecht: Stauffenberg bekennt sich als Attentäter. Fromm erklärt die Verschwörer für verhaftet – und wird selbst unter Arrest gestellt.

17.00 Uhr: Die Aktion Paris beginnt. Unter Leitung des Oberbefehlshabers General Carl-Heinrich von Stülpnagel werden im Lauf des Abends rund 1200 Mitglieder von SS und Polizei im Gewahrsam genommen. Auch in Prag und Wien laufen Widerstandsaktionen an.

17.30 Uhr: Erste Wehrmachtseinheiten folgen den „Walküre“-Befehlen. Panzer fahren an der Siegessäule auf. Eine Wehrmachtseinheit aus Döberitz besetzt das Funkhaus in der Masurenallee. Das reguläre Programm läuft aber weiter.

18.28 Uhr: Der Rundfunk meldet, nach dem Attentatsversuch habe Hitler „unverzüglich seine Arbeit wieder aufgenommen“.

18.35 Uhr: Propagandaminister Goebbels beauftragt den Kommandeur des Wachbataillons „Groß-Deutschland“ in Berlin, Major Otto Ernst Remer, den Militärputsch niederzuschlagen und das Regierungsviertel zu sichern. Goebbels verbindet Remer direkt mit Hitler, der den Befehl am Telefon bestätigt.

Der ehemalige Generalstabschef Ludwig Beck beteiligte sich am Widerstand gegen die Nationalsozialisten.
Der ehemalige Generalstabschef Ludwig Beck beteiligte sich am Widerstand gegen die Nationalsozialisten.

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19.00 Uhr: Hektisch telefonieren Olbricht und Stauffenberg mit zahlreichen Wehrkreiskommandos, bitten eindringlich um Unterstützung, „mit allen Mitteln die vollziehende Gewalt in die Hand zu nehmen“, „jeder Widerstand muss gebrochen werden“, „Das Reich ist in Gefahr“. Doch die Reaktionen sind verhalten, einige Befehlshaber stellen sich offen auf die Seite Hitlers.

19.30 Uhr: Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, den die Verschwörer als neuen Oberbefehlshaber der Wehrmacht vorgesehen haben, trifft in der Bendlerstraße zu einem Vier-Augen-Gespräch mit General Beck ein.

20.15 Uhr: General von Witzleben verlässt die Bendlerstraße. Offenbar hält er die Operation für gescheitert.

20.35 Uhr: Im Bendlerblock geht ein Fernschreiben ein. Generalfeldmarschall Keitel erklärt darin: „Himmler zum Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt.“ General Olbricht gibt den Befehl, das Fernschreiben nicht weiterzuleiten.

22.00 Uhr: Oberst Stauffenberg ruft Hans Otfried von Linstow, den Stabschef von General Stülpnagel, in Paris an und erklärt: In Berlin ist alles verloren.

22.30 Uhr: Eine Gruppe bewaffneter Offiziere dringt in Olbrichts Büro ein und stellt ihn zur Rede: „Herr General, sind Sie für oder gegen den Führer?“ Kurz darauf befreien sie General Fromm, der sofort das Kommando übernimmt.

22.50 Uhr: Der ehemalige Generalstabschef Ludwig Beck, die Generäle Olbricht und Hoepner, Oberst Mertz von Quirnheim, Stauffenberg und sein Adjutant von Haeften werden verhaftet. Fromm ordnet ihre Erschießung an. General Hoepner wird abgeführt, am 8. August 1944 wird er in Plötzensee hingerichtet.

23.15 Uhr: Das Wachbataillon besetzt den Bendlerblock. Ludwig Beck wird auf seine Bitte hin erlaubt, sich mit der Pistole selbst zu richten. Der erste Schuss verletzt ihn an der Schläfe. Auch der zweite Schuss ist nicht tödlich. Ein Feldwebel versetzt ihm schließlich einen Kopfschuss.

24.00 Uhr: Im Hof des Bendlerblocks wird aus Angehörigen des Wachbataillons ein Exekutionskommando zusammengestellt. Ein Pritschenwagen mit Scheinwerfer erleuchtet einen Sandhaufen vor einer Wand. Dort stehen General Olbricht, Oberst Mertz von Quirnheim, Oberleutnant Werner von Haeften und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Bevor ihn die tödlichen Schüsse treffen, soll Stauffenberg ausgerufen habe: „Es lebe das heilige Deutschland.“

Nach dem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof werden 110 Beteiligte des Putschversuchs hingerichtet, die Familien der Verschwörer in Sippenhaft genommen. Zahlreiche weitere Mitwisser werden bis Kriegsende ermordet oder in den Tod getrieben. Wie in Berlin heute am 70. Jahrestag der Widerständler gedacht wurde, lesen Sie hier.

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