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Kämpfer im syrischen Bürgerkrieg

© Reuters

200 Kämpfer in Syrien: Dschihad mit deutscher Dimension

Mehr als 200 Islamisten aus Deutschland kämpfen in Syrien – die Zahl ist in den vergangenen Monaten rasant gestiegen. Steigt nach deren Rückkehr das Risko von Anschlägen in Deutschland?

Von Matthias Meisner

Immer mehr Islamisten aus Deutschland beteiligen sich am Bürgerkrieg in Syrien – und werden im Falle einer Rückkehr zu einer ernsten Bedrohung für die Sicherheitslage. Den deutschen Sicherheitsbehörden liegen derzeit Hinweise zu mehr als 200 Personen aus Deutschland vor, die sich in dem Mittelmeerland am Bürgerkrieg beteiligen wollten oder dies schon tun, wie das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion berichtet.

Sie nähmen dort „beispielsweise an Kampfhandlungen teil“ oder unterstützten den Widerstand gegen das Assad-Regime „in sonstiger Weise“, heißt es weiter. Etwa die Hälfte dieser Dschihadisten habe nach Erkenntnissen der Behörden die deutsche Staatsbürgerschaft. Und: Bis zu 20 Personen aus dem islamistischen Spektrum sollen von ihren Ehefrauen begleitet worden sein.

Das Problem nimmt immer dramatischere Dimensionen an. Im Juni, bei der der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2012, hatte Behördenchef Hans-Georg Maaßen noch von 60 deutschen Islamisten in Syrien gesprochen, weitere 20 säßen auf gepackten Koffern. Im August war dann bereits von 120 Islamisten aus Deutschland die Rede, die im syrischen Bürgerkrieg kämpfen wollten.

Linkspartei kritisiert Waffenlieferungen an Rebellen

Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke, die die Anfrage gestellt hat, erklärte: „Der Krieg in Syrien wird immer heftiger, auch mit personeller Unterstützung aus Deutschland. Es war ein großer Fehler, dass Deutschland in der EU der Freigabe von Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen zugestimmt hat.“ Denn ein Teil dieser Waffen lande womöglich bei genau jenen Dschihadisten, die Massaker begehen, von denen die Bundesregierung dann keine Kenntnis haben wolle.

Auf Berichte aus der Türkei, wonach die Regierung in Ankara rund 1100 EU-Bürger zurückgeschickt habe, die sich Al-Qaida-nahen Milizen in Syrien anschließen wollten, geht die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Linke nicht ein – obwohl es angeblich auch um viele Deutsche geht. Vor einer Woche hatte das regierungsnahe Massenblatt „Habertürk“ gemeldet, dass die türkische Regierung damit Vorwürfen entgegentreten wolle, dass sie ausländischen Terroristen die Durchreise in das benachbarte Bürgerkriegsland gestatte.

Nur eine von vielen Fronten. Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Aleppo
Nur eine von vielen Fronten. Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Aleppo

© Reuters

Der Terrorexperte Thomas Hegghammer hatte in einem Blog für die „Washington Post“ dazu ebenfalls die Zahl von 200 deutschen Dschihadisten in Syrien genannt, eine offizielle Bestätigung aus Ankara oder Berlin fehlte aber zunächst. Verfassungsschutz-Präsident Maaßen hatte erst dieser Tage die Regierung in Ankara aufgefordert, mehr gegen Islamisten zu unternehmen, die über die Türkei nach Syrien einreisen wollen – es ist der bevorzugte Reiseweg. Maaßen sagte der „Zeit“: „Die Türkei ist ein ganz wichtiger Faktor in der Region. Wir hoffen auf und erwarten hier eine wesentlich engere Zusammenarbeit.“

Ankara meldet Fahndungserfolge - aber stimmen die Zahlen?

Die Auskünfte des Bundesinnenministeriums legen nahe, dass die Türkei bei den von ihr behaupteten Fahndungserfolgen womöglich übertrieben hat. In der Regierungsantwort an die Linke heißt es, dass die Zahl der zurückgekehrten Islamisten, die sich in Syrien aktiv am bewaffneten Widerstand beteiligt hätten, aktuell nur „einstellig“ sei. Die Bundesregierung habe generell „keine belastbaren Erkenntnisse“, ob sich Dschihadisten aus Deutschland an Kriegsverbrechen in Syrien beteiligt hätten.

Was nichts daran ändert, dass die „heiligen Krieger“ große Sorgen bereiten, selbst wenn sie freiwillig oder erzwungen nach Deutschland kommen. In der Antwort der Regierung an die Linksfraktion ist von einem steigenden Risiko die Rede, dass Einzeltäter oder Personen mit Anbindung an islamistische Gruppen in Syrien nach ihrer Rückkehr „Anschlagsplanungen verfolgen könnten“. Weiter heißt es: „Erschwerend kommt hinzu, dass zumindest ein Teil der Rückkehrer ideologisch weiter radikalisiert, in ihrer dschihadistischen Grundhaltung gefestigt, in Nahkampftechniken oder im Umgang mit Waffen und Sprengstoff unterrichtet und geschult worden sein könnten.“

Dass der „Dschihad-Schauplatz Syrien“ laut Regierung eine „hohe Attraktivität“ für deutsche Islamisten hat, liegt an ausgefeilter Propaganda. Die deutschen Behörden wissen von zwei sogenannten „Medienstellen“ auf syrischem Boden – dem „Sham-Center“ und „Al Ghuraba Media“. Diese hätten, so die Bundesregierung, „erkennbar das Anliegen, möglichst viele junge Muslime im deutschsprachigen Raum zu erreichen und für eine Teilnahme an Kampfhandlungen in Syrien zu rekrutieren“. Von Aufrufen in Moscheen ist der Bundesregierung nichts bekannt, umso reger tummeln sich die Islamisten laut Bundesregierung im Netz – auf „zahlreichen“ Internetseiten, Facebook-Accounts sowie Youtube- und Twitter-Kanälen.

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