zum Hauptinhalt
Die Angeklagte Beate Zschäpe (hier bei Prozessbeginn) fühlt sich von Gutachter Henning Saß beobachtet und belauscht.

© dpa

206.Tag im NSU-Prozess: Zschäpe fühlt sich von Gutachter belauscht

Im NSU-Prozess spitzt sich der Konflikt zwischen der Angeklagten Beate Zschäpe und dem psychiatrischen Gutachter Henning Saß zu. Die Verteidiger wollen seinen Radius im Gericht einschränken.

Von Frank Jansen

Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München verschärft sich der Konflikt zwischen Beate Zschäpes Verteidigern und dem psychiatrischen Gutachter Henning Saß. Die Angeklagte und ihre Anwälte fühlen sich von Saß, der im Auftrag des Gerichts Zschäpe beobachtet und häufig im Saal sitzt, belauscht. Die Verteidiger wollten nun am Dienstag mit einem Antrag den Radius des Psychiaters deutlich einschränken. Der Sachverständige solle an der Verhandlung nur teilnehmen, wenn „Beweistatsachen zu einem unmittelbaren Verhalten unserer Mandantin zu erwarten sind“, trug Verteidiger Wolfgang Heer vor. Außerdem sollten die Richter den Sachverständigen auffordern, bei längeren Unterbrechungen den Saal zu verlassen, solange die Angeklagte sich dort aufhält.

Die Verteidiger verlangten auch, der 6.Strafsenat solle von dem Psychiater eine „schriftliche dienstliche Äußerung“ dazu einholen, ob er speziell vergangene Woche ein Gespräch zwischen den Verteidigern und der Angeklagten mitgehört hat. Die Anwälte verdächtigen Saß, letzten Mittwoch, es war der 205. Verhandlungstag, bei einer Pause eine Unterredung Zschäpes mit zwei ihrer drei Verteidiger mitgeschrieben zu haben. Heer betonte, der Sachverständige habe „demonstrativ gegrinst“.

Beate Zschäpe weigert sich, mit dem Psychiater zu reden

Saß sitzt im Saal A 101 keine drei Meter von Zschäpe entfernt. Sie weigert sich, mit dem Psychiater zu reden. Das ist Teil ihrer Strategie, sich weder zu den Tatvorwürfen – es geht um die zehn Morde der Terrorzelle NSU – noch zu ihrer Person zu äußern. Saß muss dennoch an Informationen herankommen. Die Anwälte haben schon mehrfach moniert, bei ihren Gesprächen mit der Mandantin in Pausen schleiche der Sachverständige in der Nähe herum. Vor Beginn des Prozesses hatte Saß bereits ein  vorläufiges Gutachten über den psychischen Zustand Zschäpes geschrieben – nur auf der Basis der Ermittlungsakten. Psychische Auffälligkeiten konnte Saß da jedenfalls nicht feststellen.

Der Kleinkrieg zwischen dem Sachverständigen und Zschäpes Verteidigern schwelt schon lange. Im November 2013, am 60. Prozesstag, hatten die Verteidiger bereits in einem Antrag gefordert, Saß solle ein Sitzplatz zugewiesen werden, der weiter weg ist. Der Gutachter rückte dann an seinem Tisch einen Stuhl weiter nach rechts. Dieselbe Prozedur folgte am Dienstag  wieder. Saß wechselte auf den nächsten Stuhl rechts. Den Anwälten reicht das nicht. Verteidigerin Anja Sturm betonte, es gehe generell darum, dass Saß die Kommunikation der Anwälte mit Zschäpe beobachte.

Die Verteidiger bestanden deshalb darauf, dass der Strafsenat zu einigen Punkten ihres Antrags sofort entscheidet. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbrach die Verhandlung. Nach 20 Minuten kam der Strafsenat zurück und Götzl teilte die Verfügung mit, die genannten Punkte des Antrags seien abgelehnt. Saß kann also weitermachen wie bisher, nur auf einem anderen Stuhl. Zschäpes Verteidiger gaben aber nicht auf. Sie forderten einen förmlichen Gerichtsbeschluss, Götzl unterbrach die Sitzung erneut. Dann kam der Beschluss. Der Strafsenat wies die Forderungen der Verteidiger zurück.

Der Antrag könnte zudem für die Verteidiger noch heikel werden. Sie bezogen sich auf ein Gutachten des Münchner Psychiaters Norbert Nedopil, mit dem Zschäpe im März in der JVA München gesprochen hatte.

Beate Zschäpe schweigt seit Beginn des Prozesses eisern

Nedopil bescheinigte dann der Angeklagten eine starke psychische Belastung – allerdings nicht nur, weil der langwierige Prozess die Frau zermürbt, sondern auch, weil Zschäpe seit ihrer Festnahme am 8. November 2011 zu allen Tatvorwürfen eisern schweigt.

Der Strafsenat hatte Nedopil den Auftrag zu dem Gutachten erteilt, um Aufschluss über die Verhandlungsfähigkeit der immer öfter erkrankten Zschäpes zu erhalten. Das 17-seitige Papier dürfen die Prozessbeteiligten allerdings nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts einsehen. So sollte eine Veröffentlichung intimer Details, die Zschäpe dem Psychiater anvertraut hatte, vermieden werden. Dennoch bekamen Medien vom Inhalt Kenntnis. Und nun steht möglicherweise sogar eine Verlesung des 17-seitigen Papiers im Prozess bevor. Da die Verteidiger in ihrem Antrag gegen Saß auf Nedopil Bezug genommen hätten, könnte das Gutachten doch Gegenstand der Hauptverhandlung werden, deutete Götzl an. Zschäpes Verteidiger protestierten. Die Verlesung von Nedopils Gutachten im Prozess wäre für die Angeklagte und ihre Anwälte unangenehm – und würde den psychischen Stress, dem sich Zschäpe ausgesetzt sieht, noch erhöhen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false