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Beate Zschäpe - hier vor einer Verhandlung am 9. Juni - will nichts mehr mit ihren Verteidigern zu tun haben.

© Marc Müller/dpa

Update

211. Verhandlungstag im NSU-Prozess: „Sind Sie noch bei der Sache?“

Zwei Jahre nach Beginn des NSU-Prozesses gab es eine erstaunliche Premiere: Erstmals sagte Beate Zschäpe etwas, das auch die Zuschauer auf der Empore verstehen konnten.

Von Frank Jansen

Ein ehemaliger Verfassungsschützer hat im NSU-Prozess bestritten, nach dem Mord der Terrorzelle in Kassel Einfluss auf die Ermittlungen der Polizei genommen zu haben. Er habe kein laufendes Verfahren „tangieren“ wollen, sagte der pensionierte Beamte am Mittwoch als Zeuge im Oberlandesgericht München. Der Fall Kassel war für den hessischen Verfassungsschutz heikel, weil ein Mitarbeiter der Behörde, Andreas T., bei dem Anschlag auf Halit Yozgat, den türkischstämmigen Betreiber eines Internetcafés in Kassel, mutmaßlich am Tatort war und bei den Ermittlungen in Verdacht geriet.

Als die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 6. April 2006 Yozgat in dem Lokal erschossen, saß Andreas T. offenkundig im hinteren Raum. Der Mann bestreitet jedoch bis heute, von dem Mord etwas mitbekommen zu haben. Die mysteriöse Geschichte hat viel Aufsehen erregt und nährt Spekulationen, der Verfassungsschutz könnte an der Mordserie des NSU nah dran gewesen sein.

Der jetzt in München gehörte Zeuge war 2006 Abteilungsleiter und der direkte Vorgesetzte von Andreas T. Der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, ließ zu Beginn der Befragung den Mitschnitt eines Telefonats zwischen dem Abteilungsleiter und Andreas T. vorspielen. In dem Gespräch vom 9. Mai 2006 forderte der Vorgesetzte, Andreas T. solle in einer dienstlichen Erklärung „ohne Wenn und Aber“ schreiben, was passiert war. Die Polizei hatte das Telefonat mitgeschnitten, da sie Andreas T. verdächtigte, in den Mordfall verwickelt zu sein. Der Verfassungsschützer hatte sich als einziger Zeuge nicht gemeldet, wurde aber noch im April 2006 ermittelt und kurzzeitig festgenommen. Der Tatverdacht bestätigte sich aber nicht.

Verfassungsschützer ahnten angeblich früh den rechtsextremen Hintergrund

Die Aussage des früheren Abteilungsleiters im NSU-Prozess erschien in einigen Punkten überraschend. Der Mann gab zu, Andreas T. trotz des Tatverdachts nie gefragt zu haben, ob er mit dem Mord an Halit Yozgat etwas zu tun hatte. Der Pensionär betonte zudem, der Verfassungsschutz habe bei der im Jahr 2000 begonnenen Mordserie an Migranten schon früh einen rechtsextremen Hintergrund in Erwägung gezogen. Das Thema „war immer eins, das mit im Vordergrund stand“, sagte der Zeuge. So deutlich hatte das bisher kaum ein Verfassungsschützer angegeben. Und dem Ex-Abteilungsleiter wurde gleich am Mittwoch noch widersprochen. „An Rechtsextremismus haben wir nie gedacht“, sagte ein weiterer ehemaliger Nachrichtendienstler aus Hessen, der auch mit Andreas T. nach dem Mord telefoniert hatte. Die Außenstelle des Verfassungsschutzes in Kassel sei von einem rein kriminellen Hintergrund ausgegangen.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, offenbar Mühe hat, Argumente gegen ihre Verteidigerin Anja Sturm zu sammeln. Richter Götzl entsprach am Mittwoch Zschäpes Wunsch, die Frist für eine Stellungnahme um 24 Stunden zu verlängern. Ursprünglich sollte Zschäpe bis zu diesem Mittwoch um 15 Uhr darlegen, wie sie auf die Erklärungen ihrer drei Anwälte reagiert. Sturm und die Co-Verteidiger Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl hatten Zschäpes Vorwürfe gegen die Pflichtverteidigerin zurückgewiesen. Die Angeklagte hatte, wie berichtet, vergangene Woche die „Entbindung“ Sturms beantragt.

Dennoch gab es nach zwei Jahren eine erstaunliche Premiere: Erstmals sagte Zschäpe etwas, das auch die Zuschauer auf der Empore  verstehen konnten. Als sie wegzudämmern schien, fragte Götzl  plötzlich, „sind Sie noch bei der Sache?“ Zschäpe, offenbar aufgeschreckt, vergaß für einen Moment ihre beinharte Schweigestrategie und antwortete vernehmbar „ja“. Mehr kam allerdings auch an diesem Mittwoch nicht. Im Januar 2014 war es Götzl schon mal gelungen, Zschäpe zu überrumpeln. Auf seine Frage, „können Sie noch folgen, Sie schließen gerade die Augen“, ließ sich Zschäpe auch zu einer Antwort hinreißen – allerdings halblaut und für die Zuschauer nicht vernehmbar. Jedenfalls beendete Götzl zehn Minuten später den Verhandlungstag.

Unklar bleibt weiterhin, ob die Angeklagte sich in ihrer Attacke auf die Verteidigerin von einem externen Anwalt beraten lässt und ihn womöglich als Wahlverteidiger engagieren will. In  Justizkreisen ist von zwei Anwälten  Rede, die Zschäpe in den vergangenen Monaten im Gefängnis besucht haben sollen. Einer stammt aus Mannheim, der andere aus München.  

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