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Beate Zschäpe wird erneut schwer belastet.

© dpa

23. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Waffen, Geld und Pässe für den Untergrund

Holger G. avanciert zum Kronzeugen im NSU-Prozess. Schriftlich gab er zu, das Terrornetzwerk jahrelang unterstützt haben. Ein BKA-Beamter hatte ihn mehrfach vernommen. Gegen Ende des Verhandlungstags gab es noch ein bizarres Detail.

Von Frank Jansen

Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben sind weiterhin inhaftiert, schon deshalb ist jeder Tag im Gericht für sie noch unangenehmer als für die drei Mitangeklagten. Doch der Dienstag dürfte Zschäpe und Wohlleben sogar einen Tick schlimmer vorgekommen sein. Ausführlich hat ein Beamter des Bundeskriminalamts hat im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München geschildert, wie der Angeklagte Holger G. im Ermittlungsverfahren die Mitangeklagten Zschäpe und Wohlleben so schwer belastete, dass er heute für die Anklage als eine Art Kronzeuge gilt. Holger G. hatte Anfang Juni bereits im Prozess ein schriftlich formuliertes Geständnis vorgetragen, will aber bislang keine Fragen dazu beantworten.

Wenn G. von den untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe Geld bekommen habe, „war es immer über Frau Zschäpe“, zitierte der BKA-Mann aus einer Vernehmung. Holger G. habe zudem geschildert, wie er eine von Wohlleben beschaffte Waffe zum Versteck der drei nach Zwickau brachte – wo ihn Zschäpe am Bahnhof abgeholt habe. In ihrem Beisein haben Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt in der Wohnung der drei die Waffe durchgeladen.

Der NSU deponierte Geld bei Holger G.

Der Polizist hatte Holger G. zwischen November 2011 und März 2012 fünfmal befragt. Holger G. habe ausgesagt, insgesamt 13 000 D-Mark von den drei Untergetauchten erhalten zu haben, sagte der BKA-Mann. 3000 D-Mark seien die Rückzahlung einer Spende von Holger G. für die Drei nach deren Gang in den Untergrund gewesen. Die weiteren 10 000 D-Mark sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bei G. deponiert haben. Zschäpe soll G. gesagt haben, auch Wohlleben habe 10 000 D-Mark erhalten. Woher das Geld stammte, sagte Holger G. nicht. Für die Ermittler ist es ein Teil der Beute aus den Raubüberfällen, die Mundlos und Böhnhardt verübten. Laut Holger G. erzählten ihm die drei Abgetauchten auch, sie hätten von Thomas S. vor dem Gang in den Untergrund Sprengstoff bekommen. Thomas S. war ein V-Mann des Berliner Landeskriminalamts. Der im vergangenen Jahr bekannt gewordene Fall Thomas S. hatte in Berlin reichlich Wirbel verursacht.

Holger G. beschaffte auch Dokumente

Holger G. gestand laut Aussage des Kriminalbeamten in den Vernehmungen auch, zwei AOK-Karten und eine ADAC-Karte besorgt sowie Böhnhardt zu einem Führerschein und zweimal zu einem Reisepass verholfen zu haben. Das erste Mal war 2001. Als der Pass zehn Jahre später ablief, seien Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bei dem nahe Hannover wohnenden G. aufgetaucht, berichtete der Beamte. Holger G. habe gesagt, ihm seien die Haare geschnitten worden, damit er  Böhnhardt wieder ähnlich sehe, dann sei Zschäpe mit ihm zu einem Fotografen gefahren. Den Reisepass hätten dann Mundlos und Böhnhardt sechs bis acht Wochen später bei G. abgeholt.

Der Kontakt hielt - trotz Loslösung von der rechten Szene

Holger G. habe mit den dreien Urlaube auf Usedom, in Lübeck und Flensburg verbracht und bis 2011 Kontakt zu ihnen gehalten, obwohl er sich gegen 2004 von der rechten Szene gelöst haben will, sagte der BKA-Mann. Und G. habe betont, nur widerwillig die Pistole von Jena nach Zwickau gebracht zu haben. Die langjährige Freundschaft mit Wohlleben sei darüber zerbrochen. Wohlleben soll 2001 in die Reisetasche von Holger G., der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe angeblich nur einen Freundschaftsbesuch abstatten wollte, einen Stoffbeutel mit der Waffe gesteckt haben. Holger G. habe gesagt, auf der Zugfahrt nach Zwickau habe er den Beutel befühlt und dann gewusst, was drin steckte. Die Übergabe der Pistole ist allerdings verjährt, da die Waffe keiner Tat des NSU zugeordnet werden kann. Die Bundesanwaltschaft wirft G. die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. 

Am Ende des Verhandlungstages berichtete der BKA-Beamte noch ein bizarres Detail. Holger G. habe gesagt, ein Exemplar des maßgeblich von Mundlos entwickelten, antisemitischen Brettspiels „Pogromly“ sei an den britischen Holocaust-Leugner David Irving verkauft worden. „Pogromly“ ist eine pervertierte, den Holocaust verherrlichende Variante von „Monopoly“. Der Neonazi André K., er ist einer der Beschuldigten im NSU-Verfahren, habe laut Holger G. das Spiel „für viel Geld“ an Irving geliefert, sagte der BKA-Mann. Von dem Betrag sei jedoch bei Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nie etwas angekommen, was die drei geärgert habe.

Mit "Pogromoly" den Lebensunterhalt verdienen?

Ermittler halten es für wahrscheinlich, dass die drei nach dem Gang in den Untergrund hofften, ihr Leben auch über den Verkauf des Spiels finanzieren zu können. In der rechten Szene wurde „Pogromly“ jedoch kaum beachtet. Irving geriet zuletzt in die Schlagzeilen, weil er nach jahrelangem Einreiseverbot in der Bundesrepublik jetzt wieder kommen darf und im September einen Vortrag in Berlin halten will.

Der BKA-Beamte berichtete zudem, was Holger G. in einem Telefonat mit Böhnhardts Eltern gesagt haben will: ihr Sohn sowie Mundlos und Zschäpe „würden sich lieber erschießen, als sich zu ergeben“. Mundlos und Böhnhardt handelten dann auch so. Als sich am 4. November 2011 in Eisenach die Polizei ihrem Wohnmobil näherte, in das sie nach dem Überfall auf eine Sparkassenfiliale geflüchtet waren, erschoss Mundlos zunächst Böhnhardt und dann sich selbst. Zuvor hatte Mundlos noch das Wohnmobil in Brand gesetzt.

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