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Politik: 30 000 Demonstranten fordern höhere Löhne und Schutz vor Entlassung

Etwa 30 000 Menschen aus allen Teilen Polens haben nach Schätzungen der Polizei am Freitag mit einem Protestmarsch durch Warschau gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung protestiert. Die Demonstration zählt zu den größten, die Warschau in den letzen Jahren erlebte, wenngleich die Organisatoren - vor allem linksgerichtete Gewerkschaften und Bauernorganisatoren - mit 100 000 Teilnehmern am "Marsch der Unzufriedenen" gerechnet hatten.

Etwa 30 000 Menschen aus allen Teilen Polens haben nach Schätzungen der Polizei am Freitag mit einem Protestmarsch durch Warschau gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung protestiert. Die Demonstration zählt zu den größten, die Warschau in den letzen Jahren erlebte, wenngleich die Organisatoren - vor allem linksgerichtete Gewerkschaften und Bauernorganisatoren - mit 100 000 Teilnehmern am "Marsch der Unzufriedenen" gerechnet hatten. Die Demonstranten forderten unter anderem Einkommensgarantien für Landwirte, höhere Löhne und Gehälter, Schutz vor Entlassungen und die Nachbesserung der Gesundheits- und Rentenreform.

Bauernführer Lepper, dessen Gewerkschaft "Bauernselbstverteidigung" zu den Hauptorganisatoren des Marsches zählte, verlangte den Rücktritt der Regierung, die er als "antipolnisch" bezeichnete, und forderte vorzeitige Neuwahlen: "Dann kommen wir ins Parlament und keiner wird mehr ohne uns regieren können." Lepper, der in den letzten Jahren vor allem durch die Organisation von Bauernprotesten mit illegalen Straßensperren von sich reden machte, steht in Umfragen über die Vertrauenswürdigkeit von Politikern inzwischen an sechster Stelle. Besonders die kleinen Landwirte und die Arbeitslosen auf dem Lande sehen in ihm den einzigen Vertreter ihrer Interessen. Der Popularitätsgewinn Leppers geht einher mit einem Einkommensverlust der Bauern von durchschnittlich 25 Prozent seit 1996. Von den derzeit vier bis fünf Millionen Landwirten haben nach Expertenmeinung nur etwa 700 000 die Chance, sich am Markt zu behaupten.

Um nicht hinter dem radikalen Bauernführer zurückzustehen, schlugen auch andere Mitorganisatoren des Marsches vom Freitag scharfe Töne an. Daniel Podrzycki von der "Solidarnosc 80" - einem fundamentalistischen Ableger der an der gegenwärtigen Regierung beteiligten Solidarnosc-Gewerkschaft - protestierte gegen den "ökonomischen Faschismus" der Regierung, und Jozef Wiaderny von der früheren kommunistischen Staatsgewerkschaft OPZZ sprach von einer "Vetternrepublik", die schnell eingestellt werden müsse. Die OPZZ steht dem oppositionellen Demokratischen Linksbündnis nahe, dessen Führer Leszek Miller ebenfalls vorzeitige Neuwahlen gefordert hat. Die Popularität der Regierung Buzek ist in den letzten Wochen radikal gesunken. Derzeit wird der Regierungschef nur noch von einem knappen Viertel seiner Landsleute unterstützt.

Neben Bauern, Bergarbeitern und Fabrikarbeitern nahm auch eine große Zahl von Frauen, vornehmlich Krankenschwestern, an dem Marsch teil. Mit umgerechnet etwa 300 DM pro Monat verdienen sie derzeit nur etwa ein Drittel des polnischen Durchschnittslohnes. Nach der Gesundheitsreform müssen viele von ihnen außerdem mit Entlassungen rechnen, obwohl in Polen ein Mangel an Krankenschwestern herrscht. Auch viele Lehrerinnen marschierten mit.

Edith Heller

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