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Lächelnd vor Gericht: Regierungschef Gilani wurde am Donnerstag zwar schuldig gesprochen, bleibt aber vorerst im Amt – zum Ärger der Opposition. Foto: Aamir Qureishi/AFP

© AFP

Politik: 30 Sekunden Gefängnis

Pakistans Verfassungsrichter verurteilen den Premier wegen Missachtung des Gerichts. In Haft muss er nicht.

Die „Haftstrafe“ war eher eine Lachnummer, aber für Pakistans Regierungschef Yousuf Raza Gilani könnte sie ein böses Nachspiel haben. Das Oberste Gericht des Landes sprach Gilani am Donnerstag schuldig, richterliche Anordnungen missachtet zu haben, weil er alte Korruptionsverfahren gegen Präsident Asif Ali Zardari nicht neu hatte aufrollen wollen. Dies könnte Gilani seinen Posten kosten. Denn gemäß Pakistans Verfassung darf ein Verurteilter kein öffentliches Amt bekleiden.

Zwar wagten es die Richter dann doch nicht, ihn ins Gefängnis zu werfen. Immerhin drohten ihm sechs Monate Haft. Stattdessen ließen sie ihn – je nach Quelle – 30 Sekunden bis drei Minuten im Gericht „absitzen“, bis sie den Saal verlassen hatten, was womöglich als eine der kürzesten Haftstrafen der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde eingehen könnte. Selbst Gilani lächelte, doch seine Zukunft ist ungewiss. Analysten sind geteilter Meinung, ob der 59-Jährige sein Amt aufgeben muss. Die meisten glauben eher nicht, dass die Richter den Konflikt auf die Spitze treiben und ihn tatsächlich in den nächsten Monaten des Amtes entheben. Aber sie liefern der Opposition mit ihrem Urteil neue Munition.

Die nutzte ihre Chance umgehend und forderte Gilani auf zurückzutreten. „Er hat seine legale und moralische Autorität verloren“, wetterte Pakistans neuer Politstar Imran Khan. Der Druck werde massiv wachsen, meint die Zeitung „Dawn“. Andere sehen aber einen „Sieg für die Regierung“, weil Gilani vorerst im Amt bleibt und nicht hinter Gitter kommt.

Das Verfahren gilt als Teil eines Machtkampfs zwischen der Regierung einerseits und dem Militär sowie der Justiz andererseits. Die Richter hatten Gilani vor mehr als zwei Jahren beauftragt, die Schweiz zu bitten, alte Geldwäsche- und Korruptionsverfahren gegen Staatspräsident Zardari neu aufzunehmen. Doch Gilani weigerte sich, weil er fand, dass Zardari als Präsident Immunität genießt. Die Fälle reichen zurück bis Ende der achtziger Jahre. Dabei soll es um mehrere Millionen Euro gehen, die Zardari und seine Ende 2007 ermordete Frau, die frühere Premierministerin Benazir Bhutto, auf Schweizer Konten beiseitegeschafft haben sollen.

Die beiden lebten dann lange im Exil, bis der frühere Militärherrscher Pervez Musharraf ihnen auf Druck der USA 2007 Amnestie gewährte. Von dem Amnestiegesetz profitierten auch Tausende andere korruptionsverdächtige Politiker und Spitzenbeamte. Das Oberste Gericht kassierte die Amnestie dann aber als verfassungswidrig und verlangt seit 2009 von Gilani, die Ermittlungen wieder voranzutreiben.

Bemerkenswert ist, dass es diesmal nicht das Militär, sondern die Richter sind, die der Regierung zusetzen. Chefrichter Iftikhar Mohammad Chaudhry gilt als Intimfeind von Zardari. Dabei scheint das Verfahren gegen Gilani eher von politischen Motiven getrieben. Eine Bitte Gilanis an die Schweiz hätte wohl kaum Aussicht auf Erfolg. Die Schweizer seien wenig geneigt, die Zardari-Fälle neu aufzurollen, zitierten Agenturen Schweizer Anwälte.

Dem Westen dürfte es gelegen kommen, dass Gilani zunächst im Amt bleibt. Die Nato verhandelt derzeit mit seiner Regierung über ein Ende der Blockade der Nato-Transporte durch Pakistan nach Afghanistan. Pakistan hält seit November 2011 die Nachschubrouten gesperrt, nachdem die Nato bei einem Luftangriff 24 pakistanische Soldaten getötet hatte. Für die Pakistaner ist die politische Dauerkrise jedoch schlimm. Die von der Bhutto-Partei PPP geführte Regierung ist seit ihrem Antritt 2008 vor allem mit dem Machterhalt beschäftigt – typisch für den südasiatischen Atomstaat. Regierung, Opposition, Militär und Justiz verstricken sich traditionell lieber in Machtkämpfe, als sich um die drängenden Probleme zu kümmern. Dabei gibt es genug davon. Massenarmut, Terror, massive Finanznöte und ein desolates Verhältnis zu den USA sind nur einige davon.

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