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Politik: 33,8 Millionen „Die Jungen werden zur Kostbarkeit“

sind zwischen 15 und 45 Jahre alt Frank Schirrmacher, Autor des „Methusalem-Komplotts“, über Alte und Protest

Herr Schirrmacher, was schürt den von Ihnen erwarteten Krieg der Generationen mehr: der demografische Wandel oder die Schulden zu Lasten der Jungen?

Die wirkliche Zeitbombe ist der demografische Wandel. Wenn wir jetzt eine immense Geburtenrate hätten, wäre der Schuldenberg noch hinzunehmen, wir hätten ja für die ersten 20 Jahre eine unglaubliche Zahl von Konsumenten. Kinder sind Konsumenten. Sie hätten wie in allen Gesellschaften mit vielen Kindern einen Boom. Trotzdem ist der demografische Wandel grundsätzlicher, weil er das Problem unausweichlich macht. Beides zusammen ist die tödliche Mixtur.

Man könnte auch sagen, die Politik schürt den Generationenkrieg durch Nichtstun?

Dem stimme ich völlig zu. Ich bin sprachlos über die Stummheit, mit der die Politiker aller Parteien es schaffen, dem Problem für die kommende Wahl aus dem Wege zu gehen. Mit Ausnahme des parteilosen Paul Kirchhof. Die Politik vertagt das Problem auf 2009. Das Problem der alternden Gesellschaft ist aber das der heute Jungen, das heißt für die Geburtsjahrgänge 1960 bis 1980 ist das Problem nicht mehr realistisch zu lösen.

Ist es nicht so: Die jetzige Generation der Politik-Entscheider wartet genüsslich auf die Diktatur der Alten, die sich allein durch Quantität ergibt, und zu der die Politiker von heute gehören werden.

Das sehe ich anders. Ich glaube, die Politiker von heute sagen, ich bin dann gar nicht mehr da. Und zwar im nächsten Jahrzehnt. Und so ist es ja faktisch auch, dass dann eine Generation Verantwortung trägt, die heute nicht sichtbar ist. Auf die Alten warten können sie gar nicht genüsslich. Zwar hat der VDK am Dienstag das 500000. Mitglied begrüßt, was sensationell ist, aber die Mehrheit der Alternden würde die Gesellschaft schon so umformen, dass viele der heutigen Parteien sich verabschieden könnten. Wenn nichts geschieht, käme es zu einer Implosion des Parteiensystems.

Sie haben in Ihrem Buch „Das Methusalem-Komplott“ geschrieben, der Feind steht uns im Rücken: Wer ist wir, wer ist der Feind?

Das ist eine zeitliche Kategorie. Das heißt, dass die Tatsachen unumkehrbar geschaffen sind. Die Schulden sind gemacht und Kinder nicht geboren worden.

Ich dachte, der Feind ist die junge Generation, die die aktuelle Jugendforschung als leistungsstark, mutig, weniger ichbezogen und verantwortungsorientiert beschreibt.

Um Gottes Willen, nein, das ist nicht meine Meinung. Der Feind, der uns im Rücken steht, sind die Jahre 1970, 1980, 1990, die dazugehörigen Politiker aller Parteien und die Gesellschaft dieser Zeit.

Die Jungen wollen Konsens, keinen Krawall, macht sie das schwach?

Die Jungen werden zu einer Kostbarkeit in unserer Gesellschaft, das wissen wir nur noch nicht einzuschätzen. Man wird ihnen hinterherlaufen, weil viele von ihnen auch das Land verlassen werden. Für die Jugend des Jahres 2005 gilt, dass sie die erste Generation ist, die durch alles zum Protest legitimiert ist. Früher oder später wird die Generation protestieren, zum Beispiel indem sie sagt, wir kümmern uns nur um unsere Eltern, nicht noch um die Eltern der anderen.

Junge Politiker, wie die Chefs von Junger Union und Jungsozialisten, fordern gemeinsam einen Generationenpakt. Worin müsste der bestehen?

Zunächst: Ungefähr 2009 endet der bisherige Generationenpakt unwiderruflich, weil ein Vertragspartner ausscheidet, es sind zu wenig Junge da. Ein Beispiel für den neuen Pakt könnte sein: Abkehr vom Senioritätsprinzip, das heißt, nicht weil jemand älter ist, verdient er mehr, sondern nach anderen Schlüsseln. Längere Lebensarbeitszeit dient zudem nicht nur zur Sicherung der Rente, sondern auch, um die Jungen zu entlasten.

Wenn man dem neuen Generationenpakt eine Art Präambel voranstellen würde, eine Art neuen Gesellschaftsvertrag. Was müsste das Leitmotiv sein?

Kinder.

Das Gespräch führte Armin Lehmann.

Frank Schirrmacher , 46, ist seit 1994

Herausgeber der FAZ. Er entfachte 2004

mit dem Buch

„Das Methusalem- Komplott“

eine Generationen-

Debatte.

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