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Vor Containern mit radioaktiver Lauge hängt in der Schachtanlage Asse ein Warnschild.

© dpa

50 Jahre Atommülllager Asse: „Ein Bergwerk löchrig wie ein Käse“

Vor 50 Jahren begann die Atommülleinlagerung im Schacht Asse. Das Entsorgungsproblem ist allerdings weiterhin ungelöst.

Das Zubehör für die Demo am nächsten Dienstag steht schon bereit. „Wir werden am Bergwerk ein fünf Meter hohes warnendes A aufstellen“, sagt Pfarrer Andreas Riekeberg vom Asse-II-Koordinationskreis. Und mit einem Haufen gelb-schwarz bemalter Fässer wollen die Bürgerinitiativen darauf hinweisen, dass mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche Atommüll unter katastrophalen Bedingungen vergraben liegt.

Die Einlagerung im Schacht Asse II beginnt vor 50 Jahren. Am 4. April 1967 werden die ersten 80 Fässer mit radioaktiven Abfällen aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe in dem früheren Salzbergwerk im Kreis Wolfenbüttel versenkt. Zuletzt gelangen 1978 strahlende Abfälle unter die Erde. Insgesamt lagern 125787 Fässer und Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie Chemiemüll in den einsturzgefährdeten Kammern.

Um 1900 startet auf dem Asse-Höhenzug nördlich des Harzes der Salzbergbau. Bis 1964 fördern Bergleute dort Steinsalz. Ein Jahr später kauft der Bund das Bergwerk und lässt es von der Gesellschaft für Strahlenforschung (heute: Helmholtz Zentrum München) zum „Versuchsendlager“ für Atommüll herrichten.

Der Lehrer Walter Randig merkt damals in einen Leserbrief an die Lokalzeitung an: „Auch der in Frage kommende Asse-Schacht hat bereits einen kleinen Wassereinbruch, der bisher laufend unter Kontrolle gehalten werden mußte. Wenn das Grundwasser durch den Atommüll verseucht ist, dürfte es für Überlegungen zu spät sein“. Der verantwortliche Gutachter Klaus Kühn hält dagegen, dass „die Gefahr von Wasser- oder Laugeneinbrüchen als minimal anzusehen bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar auszuschließen“ ist.

Die Abfälle, darunter rund 100 Tonnen radioaktives Uran, 87 Tonnen strahlendes Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm extrem giftiges Arsen, lagern in 13 unterirdischen Kammern. Teilweise kippen Gabelstapler die Fässer einfach über Abhänge oder quetschen sie in bereits volle Hohlräume. Bis heute halten sich Gerüchte, dass dort auch Kadaver von Affen und anderen Säugetieren vermodern, mit denen in der Vergangenheit radioaktive Versuche gemacht wurden. Unklar ist auch, ob entgegen offiziellen Beteuerungen nicht auch hochradioaktiver Müll verklappt wird.

Die Einlagerung endet nach der Änderung des Atomgesetzes 1978

Am 29. Juli 1974 zitiert die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ den stellvertretenden Asse-Betriebsleiter mit der Aussage, 1967 seien „als erstes radioaktive Abfälle aus dem letzten Krieg versenkt“ worden. Es habe sich dabei um Uranabfälle gehandelt, „die bei der Vorbereitung der deutschen Atombombe anfielen“. Die Behörden haben davon aber nach eigenen Aussagen keine Kenntnis.

Die Einlagerung endet nach der Änderung des Atomgesetzes 1978. Es dauert jedoch noch lange, bis Informationen über den Zustand der Asse nach außen dringen: Seit 1988 läuft Wasser in das Bergwerk, täglich rund 12000 Liter. Die Kammern mit dem Atommüll sind instabil, einige Zwischendecken bereits eingebrochen, sagen Experten. Sie befürchten auch unkontrollierte Grundwassereinbrüche.

2008 beschließen der Bund und das Land Niedersachsen, die Asse künftig wie ein Endlager zu behandeln. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wird Betreiber und mit der sicheren Schließung der Grube beauftragt. Nach einem Vergleich verschiedener Varianten spricht sich das Amt für die Bergung sämtlicher Abfälle aus. Ein ambitioniertes Unterfangen, ein nukleares Endlager wurde noch nirgends auf der Welt geräumt.

Doch die angekündigte Rückholung der Fässer droht zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat. Denn mit dem Herausholen der Fässer wäre es nicht getan: Ein neuer Schacht muss in den Berg getrieben, ein oberirdisches Zwischenlager gebaut und eine dauerhafte Lagerstätte für den Asse-Müll gefunden werden. Das in Bau befindliche Endlager Schacht Konrad, räumt der langjährige BfS-Chef Wolfram König ein, kann die Abfälle ohne ein neues Genehmigungsverfahren gar nicht aufnehmen. Umweltschützer vermuten, dass manche Politiker keine Bilder von zerfressenen Fässern und einem strahlenden Brei aus Salzlauge und Atommüll wollen.

Ab 2009 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtags mit der Asse. Viele weitere Pannen und Missstände kommen ans Licht. So wurden radioaktiv belastete Laugen ohne Genehmigung in tiefere Bereiche gepumpt, Studien über die Baufälligkeit des Bergwerks zurückgehalten.

Der als Zeuge vor den Ausschuss geladene frühere Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nennt die Asse „einen der größten Problemfälle, die wir in Europa haben“. Es sei skandalös, dass die Atomindustrie ein Bergwerk „löcherig wie ein Käse“ für eine „Billigentsorgung“ genutzt habe.

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