zum Hauptinhalt
Seit 2003 versuchte Russland, den Ölkonzern Jukos - tragende Säule des Firmenimperiums von Kremlkritiker Michail Chodorkowski - an sich zu bringen. Hier ein Archivbild der Firmenzentrale von 2003. Jetzt müssen die ehemaligen Aktionäre entschädigt werden.

© Yuri Kochetkov/dpa

50 Milliarden Dollar Entschädigung: Gerichtsvollzieher beschlagnahmen Russlands Immobilien im Ausland

Um ehemalige Aktionäre des Energiekonzerns Jukos zu entschädigen, werden die Werte von 170 Flächen und 800 Gebäuden in 70 Staaten ermittelt.

In der Wirtschaftsabteilung des russischen Präsidentenamtes, die einem Ministerium gleichgestellt ist und das Tafelsilber verwaltet, ist Kassensturz angesagt. Der Grund dafür sind drohende Verluste russischer Liegenschaften im Ausland. Ehemalige Aktionäre von Jukos – einst tragende Säule des Firmenimperiums von Kremlkritiker Michail Chodorkowski – waren, nachdem der Staatskonzern Rosneft den Ölgiganten 2006 bei einer heftig umstrittenen Auktion weit unter Marktwert ersteigert hatte, vor das internationale Schiedsgericht in Den Haag gezogen. Sie hatten den russischen Staat erfolgreich wegen Enteignung verklagt.

Am 18. Juli 2014 wurde Moskau dazu verurteilt, die Kläger mit insgesamt 50 Milliarden US-Dollar zu entschädigen. Da Russland sich weigert, begannen Gerichtsvollzieher im Juni mit Beschlagnahme von russischem Staatseigentum in Belgien und Frankreich. Staranwalt Tim Osborne, der die Interessen der Kläger in Haag vertrat, drohte, seine Mandanten würden in allen 150 Staaten pfänden lassen, die die New Yorker UN-Konvention zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ratifiziert haben.

Wie die Moskauer Wirtschaftszeitung „rbk“ unter Berufung auf zuverlässige Quellen schreibt, machen Kreml und Regierung sich auf jahrelange Prozesse gefasst, die mehrere Milliarden kosten und das Worst-Case-Szenario dennoch nicht verhindern können: einen Totalverlust.

Nur rein diplomatisch genutzte Gebäude sind vor der Verwertung sicher

Zwar sind diplomatische Vertretungen durch die Wiener Konvention von 1961 geschützt. Sie genießen Immunität und exterritorialen Status. Consulting-Firmen indes warnen, die Gerichtsvollzieher könnten den gelben Kuckuck auch an Botschaften, Konsulaten und offizielle Residenzen der Botschafter pappen, wenn die ehemaligen Jukos-Aktionäre gerichtsfeste Beweise dafür erbringen, dass sie nicht ausschließlich für den diplomatischen Dienst genutzt werden. Eine Untervermietung an kommerzielle Organisationen – in kleineren Vertretungen wie in Angola gang und gäbe – reiche dafür.

In 70 Staaten könnten sich demnächst Gerichtsvollzieher auf die Suche machen

Weitaus prekärer steht es um die „ungeschützten“ Liegenschaften. Laut einem nichtöffentlichen Register des russischen Rechnungshofes verfügt Moskau derzeit in mehr als 70 Staaten Europas, Amerikas und Asiens über 170 solcher Grundstücke und mehr als 800 Gebäude: Kirchen, Klöster, Stadtvillen und Palais. Die meisten stammen aus der Konkursmasse von Zarenreich und Sowjetunion, sind um die 100 Jahre alt und sanierungsbedürftig, weil zweckentfremdet genutzt. In der 1890 erbauten Residenz des Militärattachés seiner Majestät des Zaren in Paris etwa logiert seit langem die amtliche Nachrichtenagentur Tass.

Alles in allem sollen russische Auslandsimmobilen ohne diplomatischen Status derzeit einen Marktwert von maximal viereinhalb Milliarden US-Dollar – nicht mal ein Zehntel dessen, was den einstigen Jukos-Aktionären als Entschädigung zusteht. Eine Sonderkommission aus Beamten von Justiz- und Finanzministerium soll jetzt für jede einzelne Immobilie festlegen, welche Priorität ihr Besitz für Russland hat, und Varianten für den Fall einer Beschlagnahme erörtern. Die Duma will im Herbst im Gegenzug die Beschlagnahme ausländischen Eigentums in Russland ermöglichen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false