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Reisewelle zu Thanksgiving: Passagiere am Flughafen von Denver

© Reuters/Kevin Mohatt

50 Millionen Amerikaner könnten reisen: US-Behörden fürchten ein „Superspreader-Thanksgiving“

Zu Thanksgiving kommen in den USA Familien und Freunde zusammen. Appelle zum Verzicht gibt es viele – denn die Angst vor mehr Corona-Opfern ist groß.

Unmittelbar vor dem wichtigsten Familienfest der Amerikaner, Thanksgiving, sind in den USA binnen 24 Stunden fast 2440 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Am Mittwoch meldete die Johns-Hopkins-Universität damit den höchsten Anstieg seit sechs Monaten. Mehr als 262.000 Tote waren es insgesamt bis Donnerstag, annährend 12,8 Millionen US-Bürger haben sich inzwischen nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert.

Grund für die US-Gesundheitsbehörde CDC zu Thanksgiving, wenn Millionen Menschen aus allen Teilen des Landes zum traditionellen Fest mit Familie und Freunden fahren oder fliegen, um gefüllten Truthahn zu essen, alle Amerikaner zum Reiseverzicht aufzurufen. Zu groß ist die Furcht, dass sich bei den Familientreffen viele weitere Menschen mit dem Virus infizieren.

Rundheraus verboten hat die Behörde das Reisen allerdings nicht. „An diesem Thanksgiving sollten Sie sich und Ihre Lieben schützen“, appellierte die CDC an die Bürger. „Vermeidet Reisen. Trefft euch virtuell oder im Freien.“

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Auch Gouverneure der US-Bundesstaaten sehen Thanksgiving mit großer Sorge und rufen ihre Mitbürger auf, ihre Esszimmer nicht in eine Brutstätte für weitere Covid-19-Patienten zu verwandeln.

„Wenn du jemanden liebst, dann sage ihm: 'Ich liebe dich so sehr, dass ich dich dieses Thanksgiving nicht besuchen kommen werde“, rät New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo. Er beschränkte kurz vor dem Fest Treffen in Privathäusern in dem von ihm regierten Bundesstaat auf maximal zehn Teilnehmer.

Mehrere andere Gouverneure und Bürgermeister äußerten sich ähnlich. So sind beispielsweise in Nashville im Bundesstaat Tennessee nur noch acht Teilnehmer bei Treffen in Privathäusern erlaubt. New Jerseys Gouverneur Phil Murphy forderte dazu auf, die Zahl der Festmahl-Teilnehmer unbedingt „einstellig“ zu halten.

Der führende US-Virologe Anthony Fauci verkündete, er werde mit seinen drei Töchtern virtuell per Zoom feiern. Fauci warnte vor allem davor, sich mit älteren Familienmitgliedern zu treffen, die eventuell sogar Vorerkrankungen haben. „Es tut weh, darauf zu verzichten, weil es eine so schöne Tradition ist“, sagte Fauci beim TV-Sender CNN. „Aber es wird wieder eine Zeit geben, wenn solche Treffen wieder möglich sind.“ Fauci rief dazu auf, „jetzt ein Opfer zu bringen“, um die Gesundheit der Mitmenschen zu schützen.

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Biden: „Ich weiß, wie hart es ist“

Der gewählte Präsident Joe Biden ermahnte die Amerikaner in seiner Rede zu Thanksgiving, gemeinsam gegen die Pandemie zu kämpfen. Das Land sei dieses Kampfes überdrüssig, sagte Biden. „Aber wir müssen uns daran erinnern, dass wir im Krieg mit dem Virus sind. Nicht im Krieg miteinander“, fuhr er fort.

Biden sprach all denen seine Anteilnahme aus, die Angehörige und Freunde durch Covid-19 verloren haben – und erinnerte dabei auch an seine persönlichen Verluste, den Unfalltod seiner ersten Frau und der kleinen Tochter 1972 sowie den Krebstod seines Sohnes Beau 2015. Er erinnere sich an das jeweils erste Thanksgiving danach, erklärte er. „Der leere Stuhl, die Stille. Das raubt einem den Atem“, sagte Biden.

Biden selbst hat angekündigt, dem Rat der Experten zu folgen und das eigentlich große Thanksgiving-Treffen seiner Familie klein zu halten. „Ich weiß, wie hart es ist, auf Familientraditionen zu verzichten, aber es ist so wichtig“, mahnte Biden.

In einer per Twitter verbreiteten Thanksgiving-Botschaft des kommenden US-Präsidenten zusammen mit seiner Frau Jill sagte Biden: „Die kleine Sache, zu Hause zu bleiben, ist ein Geschenk an unsere amerikanischen Mitbürger.“

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Millionen Amerikaner sind unterwegs

Doch ungeachtet solcher Appelle und der Aufforderung der Behörden, daheim zu bleiben, werden sich viele Amerikaner ihr Familienfest zu Thanksgiving nicht nehmen lassen. Dass sie damit die Corona-Pandemie weiter anheizen könnten, scheint viele nicht zu schrecken.

Rund 55 Millionen Menschen legten im vergangenen Jahr nach Angaben des Verkehrsverbands AAA rund um Thanksgiving mindestens 80 Kilometer oder mehr zurück, um Familie und Freunde zu besuchen oder das lange Wochenende für einen Ausflug zu nutzen.

Auch in diesem Jahr sind viele unterwegs. Rund 50 Millionen Amerikaner – und damit nur etwa zehn Prozent weniger als im vergangenen Jahr – hatten laut AAA zumindest vorläufige Reisepläne. Der überwiegende Teil wollte demzufolge das Auto nutzen, knapp 2,5 Millionen Menschen das Flugzeug. Mehrere Flugkonzerne hatten für die Tage um Thanksgiving bereits ihr Angebot erweitert.

Fotos von langen Warteschlangen an Flughäfen verstärkten deshalb die Befürchtungen der Experten. Schon von Freitag bis Sonntag wurden mehr als drei Millionen Passagiere an den US-Flughäfen gezählt – so viele wie noch nie seit Beginn der Coronakrise.

Schlange von Flugreisenden am Salt Lake City International Airport
Schlange von Flugreisenden am Salt Lake City International Airport

© dpa/AP/Rick Bowmer

In New York und anderen Metropolen bilden sich vor den Corona-Testzentren schon seit Tagen lange Schlangen. Viele hoffen auf ein besseres Gewissen, wenn sie mit einem negativen Test in der Tasche zu ihren Angehörigen reisen – auch wenn die Fachleute mahnen, dass derartig kurzfristige Tests das Ansteckungsrisiko nicht völlig ausschließen.

„Thanksgiving wird ein entscheidender Zeitpunkt“

Der Notfallmediziner Cleavon Gilman aus Arizona macht auf Twitter immer wieder mit deutlichen Worten und teils dramatischen Bildern auf die katastrophalen Ausmaße und Folgen der Pandemie aufmerksam. „Alle unsere Appelle sind bei den Egoisten auf taube Ohren gestoßen“, klagt er. In seinem Bundesstaat seien die Intensivstationen mit Covid-Patienten „überschwemmt“.

Selbst wenn Familientreffen zu Thanksgiving in diesem Jahr kleiner ausfallen sollten, weil doch bei manchen die Sorge überwiegt, befürchten die Gesundheitsexperten einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen im Dezember. Sie sorgen sich aus Erfahrung: Auch nach dem Nationalfeiertag am 4. Juli, nach Labor Day Anfang September und zuletzt nach Halloween waren die Zahlen deutlich nach oben geschnellt.

Die Expertin für Katastrophenschutz an der Johns-Hopkins-Universität, Meghan McGinty, lässt keinen Zweifel: „Thanksgiving wird wirklich ein entscheidender Zeitpunkt sein. Wenn wir unsere Feier nicht auf unseren eigenen Haushalt beschränken, wird die Zahl der Fälle und Krankenhauseinweisungen unweigerlich zunehmen.“ (mit Agenturen)

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