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60 Jahre Grundgesetz: Verfassung als Event

60 Jahre Grundgesetz, sowas muss gefeiert werden - finden auch die Parteien und streiten sich darum, wer am meisten Redezeit bekommt.

Berlin - „Die sollen sich nicht so haben“, knurrt ein CDU-Mann, der seinen Namen aber auf keinen Fall in der Zeitung lesen will. „Dass wir alle drei ersten Repräsentanten des Staates stellen, ist nun mal Tatsache!“ Die haben sich aber doch, die Sozialdemokraten nämlich. Und weil sogar SPD-Chef Franz Müntefering in Person sich gehabt hat, steht auf einmal ein Ereignis im Blickfeld des bundespolitischen Berlin, das normalerweise nur am Rande von Terminkalendern aufgetaucht wäre: Das 60. Jubiläum des Grundgesetzes – und die Frage, wie es angemessen zu begehen ist.

Münteferings Kritik hatte sich daran entzündet, dass das Jubiläumskonzept einen Festakt am 22. Mai mit Ansprache des Bundespräsidenten vorsah und danach ein „Bürgerfest“, zu dem die Kanzlerin und der Bundestagspräsident als Redner aufgeführt waren. Der Jahrestag der Verfassung müsse aber mindestens auch vom Bundestag in einer Debatte gewürdigt werden, forderte der SPD-Chef. Dahinter stand das Unbehagen darüber, dass andernfalls nur Horst Köhler, Angela Merkel und Norbert Lammert zu Wort kämen, mithin CDU-Politiker und ihr Präsidentenkandidat die Interpretationshoheit über das Jubiläum hätte. Dass sich Köhler einen Tag später am eigentlichen Verfassungstag, dem 23. Mai, gegen die SPD-Kandidatin Gesine Schwan und den Linksbewerber Peter Sodann zur Wahl stellt, finden manche Sozialdemokraten zusätzlich problematisch.

Regierungssprecher: "Es gibt überhaupt keinen Streit"

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg hat am Freitag infolgedessen einiges zu tun. „Es gibt in der Bundesregierung überhaupt keinen Streit“, versichert Steg. Und nein, auch gegen Köhlers Auftritt bei dem vom Präsidenten selbst angeordneten Staatsakt im Konzerthaus auf dem Gendarmenmarkt gebe es keine Bedenken: „In Abstimmung mit den Verfassungsorganen“ sei entschieden worden, dass die Rede vom Staatsoberhaupt gehalten werde; dies als Last-Minute-Wahlkampf Köhlers in eigener Sache zu deuten, sei „abwegig“.

Auch das Innenministerium, von Regierungsseite mit der Organisation der Feier betraut, hebt hervor, dass nun wirklich alle und jeder in die Planungen eingebunden seien: das Präsidialamt, das Bundestagspräsidium, das Kanzleramt sowie sämtliche Bundesministerien. Ein Punkt, den auch die Agentur betont wissen will, die im Auftrag der Staatsorgane die Feier plant und dabei Höhepunkte wie einen „Car Walk“ der Autoindustrie oder Beethovens Neunte als Freiluft-Aufführung des Leipziger Gewandhausorchesters unter Kurt Masur vorsieht. Alle Beteiligten, sagt die Geschäftsführerin der Media Event GmbH, Jutta Vogel, hätten im Juni 2008 dieses Konzept abgesegnet. „Definitiv ein falscher Zungenschlag“ wäre es, sollte der Eindruck entstehen, von SPD-Seite sei niemand einbezogen. Auch Zweifel am Finanzierungskonzept weist Vogel zurück. Das sieht vor, dass die Agentur als Veranstalter auftritt, vom Bund zwei Millionen Euro bekommt und für den Rest Sponsoren werben muss. Man habe mehrere Sponsorenverträge unter Dach und Fach, weitere würden folgen, sagt die Agenturgeschäftsführerin.

Alle reden über die Feier

Trotz solcher Dementis hat Müntefering politisch erreicht, was er wollte: Die Feier ist ein Thema. Übrigens ist inzwischen nicht mehr wie noch im Ursprungskonzept vorgesehen, dass Köhler, Merkel und Lammert Volksreden am Brandenburger Tor halten. Köhler soll beim Staatsakt sprechen, danach soll nur einer und kurz das Bürgerfest eröffnen; wer, sei nicht entschieden, sagt das Innenministerium. Absehbar ist auch eine Bundestagsdebatte. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat sie in einem Schreiben an Lammert beantragt, und gute Gründe dagegen gibt es nicht. Auch die Union dürfte sich kaum sperren. Die Debatte böte schließlich Anlass für wegweisende Worte des Parlamentspräsidenten, also von Norbert Lammert von der CDU.

 Robert Birnbaum

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