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Politik: 700 Ein riesiges Geschäft 6

Milliarden Dollar muss der Irak in den nächsten Jahren in Infrastruktur investieren. Wirtschaftlich gelohnt hat sich der Irakkrieg gewiss nicht für die USA.

Milliarden Dollar muss der Irak in den nächsten Jahren in Infrastruktur investieren.

Wirtschaftlich gelohnt hat sich der Irakkrieg gewiss nicht für die USA. Die Kosten summieren sich, je nach Berechnung, von gut einer Billion Dollar bis auf mehr als den doppelten Betrag. Dem stehen keine Megageschäfte von US-Firmen beim Wiederaufbau oder der Ölförderung gegenüber, die der amerikanischen Staatskasse auch nur annähernd so hohe Steuereinnahmen bescheren. Mit ökonomischen Erwägungen hatte George W. Bushs Regierung den Krieg zum Sturz Saddam Husseins freilich auch gar nicht begründet. Dass es den USA dabei um Geld – oder um Öl – gehe, war vielmehr eine Behauptung der Kriegsgegner.

Die Begeisterung der Amerikaner für den Krieg währte nicht lang. Vor der Invasion 2003 sprach sich gut die Hälfte der Bürger dafür aus. Mit der Zunahme der Anschläge wuchs von 2004 an die Ablehnung. Seit 2007 meinen 60 bis 70 Prozent, der Irak sei die Opfer nicht wert gewesen. Mehr als 4400 US-Soldaten starben dort bis zum Abzug gegen Jahresende 2011, rund 32 000 wurden verletzt. Die direkten Aufwendungen aus Amerikas Bundeshaushalt für den Krieg und die Besatzungsjahre belaufen sich auf rund 800 Milliarden Dollar. Hinzu kommen die Schuldzinsen, da die Kriege im Irak und in Afghanistan über eine höhere Kreditaufnahme finanziert wurden. Die Versorgung der Veteranen wird mit zusätzlich einer Billion Dollar bis zum Jahr 2050 veranschlagt.

Die Last für die Steuerzahler ist damit vielfach höher, als Vizepräsident Dick Cheney im März 2003 in der Fernsehsendung „Meet the Press“ prognostiziert hatte. Der Krieg selbst werde 80 Milliarden Dollar kosten, sagte er damals, und der Wiederaufbau weitere zehn Milliarden Dollar pro Jahr. Amerikas Bürger sollten sich auf Kosten von mindestens hundert Milliarden Dollar für ein zweijähriges Engagement einstellen.

An Apellen, gutem Willen und Risikobereitschaft hat es nach dem Abzug der US-Truppen nicht gemangelt. Regierungschef Nuri al Maliki sagte beim Besuch im Dezember 2011 in Washington, er wünsche, dass das auslaufende militärische Engagement der USA in ein ökonomisches übergehe. Die mächtige US-Handelskammer beschwor die Wachstumsaussichten. Amerikanische Firmen setzten 2011 im Irak gut fünf Milliarden Dollar um, ein Zuwachs von nahezu 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Bruttoinlandsprodukt (Bip) des Irak, das sich damals auf hundert Milliarden Dollar belief, werde in jedem der Folgejahre um schätzungsweise elf Prozent wachsen.

Doch die Erfahrungen haben amerikanische Geschäftsleute mittlerweile vorsichtig gemacht. Auf den politischen Prozess, den Staatsapparat und den Rechtsstaat ist kein Verlass, die Korruption gilt als außergewöhnliches Problem. Versprochene Gesetze lassen auf sich warten, ebenso behördliche Genehmigungen. Und wegen der hohen Anzahl von Anschlägen sind die Kosten für den Schutz der Angestellten hoch.

Solange die US-Truppen noch im Land waren, hatten manche große US-Konzerne wie Halliburton und Bechtel einträgliche Geschäfte gemacht, vor allem mit der Versorgung des amerikanischen Militärs, aber auch mit Aufbauprojekten wie Schulen, Straßen und Brücken sowie der Wasser- und Stromversorgung. Die wurden damals noch aus US-Kassen finanziert, so dass es keine Probleme mit der Zahlungsmoral gab.

Das ist inzwischen anders. Der Bedarf an Wiederaufbauprojekten ist immer noch groß. Bei Malikis Besuch kündigte Iraks Regierung an, sie wolle in den nächsten vier Jahren hundert Milliarden Dollar in die Infrastruktur investieren – das entspricht der kompletten Wertschöpfung des Landes im Laufe eines Jahres. Und sie könne das auch finanzieren, da die Ölförderung den Stand vor dem Krieg erreicht habe.

Theoretisch könnte der Irak bis 2017 Saudi-Arabien als größter Ölproduzent in der Region überholen und zwölf Millionen Barrel pro Tag pumpen, sofern der Ausbau der Förderanlagen mit den Plänen Schritt hält. Inzwischen halten Fachleute maximal ein Drittel davon für realistisch.

Denn die Praxis sieht im Irak anders aus als die Theorie. Bei der Auftragsvergabe und der Bezahlung sind ausländische Geschäftsleute von der Gnade irakischer Minister abhängig. Auch die innenpolitischen Rivalitäten zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden wirken sich oft hemmend aus. Um ihren Machtanspruch über das ganze Land durchzusetzen, entzieht die Zentralregierung in Bagdad jedem Ölkonzern die Förderlizenzen, der Verträge mit der Regionalregierung im Kurdengebiet abgeschlossen hat. Dieser Bann hat, zum Beispiel, im Sommer 2012 erst die amerikanischen Konzerne Exxon Mobil und Chevron getroffen und dann die französische Firma Total. Das sind nicht gerade Signale, die amerikanische Topmanager veranlassen, noch mehr Milliarden zu investieren, ohne politische Garantien zu haben, dass die sich über kurz oder lang bezahlt machen.

Am besten scheinen türkische Kaufleute mit dem Geschäftsgebaren im Irak nach dem US-Abzug zurechtzukommen. Ungeachtet der Spannungen und Verwicklungen ihres Landes in die Konflikte um die Kurdengebiete sichern sie sich einen Bauauftrag nach dem anderen, bevorzugt im kurdischen Nordteil, aber auch in der sunnitischen Zentralregion und im schiitischen Süden.

In den USA glauben derzeit fast nur noch Außenseiter an die Chance auf jähen Reichtum im Irak. Zum Beispiel Ronald Scarpa, ein pensionierter Pilot in Las Vegas. Er hat in irakische Dinar investiert, obwohl man die nicht frei handeln kann. Momentan ist ein irakischer Dinar nur ein Zehntel eines US-Cent wert. 1990, vor dem ersten Irakkrieg zur Befreiung Kuwaits und dem UN-Ölembargo gegen Bagdad, waren es noch 3,2 Dollar. Der Dinar, glaubt Scarpa, werde dank des Ölreichtums wieder an Wert gewinnen. Und dann hätte er ausgesorgt. Christoph von Marschall

bis zehn Stunden pro Tag kommt im Irak Strom aus der Steckdose, im Durchschnitt. Wer darüber hinaus Elektrizität benötigt, braucht Generatoren.

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