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2010 sagte Klaus Töpfer im Interview mit dem Tagesspiegel, dass die Frage, ob zentrale Versorgungsstrukturen überhaupt noch eine Zukunft haben: "In den neuen Ländern ist das schon gar keine ideologische Frage mehr." Er illustrierte das mit einem Beispiel: "Es gibt Regionen, wo man das Abwasser besser mit dem Taxi in die nächstgelegene Kläranlage bringen lässt. Das wäre sicherlich billiger." Damals formulierte er die wichtigste Aufgabe für sein neues Institut IASS: "Mich beschäftigt sehr, wie aus einer Wissensgesellschaft eine Wissensdemokratie werden kann." Deshalb will er den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft organisieren. Abschließend sagte er damals: "Wir haben eine Demokratie, die zunehmend zur Hülse wird, in der sich die Menschen gar nicht mehr zu Hause fühlen. Es kann nicht sein, dass die demokratische Bandbreite zwischen ,basta' und ,aussitzen' liegt." Davor zeigte er dem Fotografen und der Reporterin stolz den Tresor im IASS. In dem Gebäude waren einmal Teile der Zentralbank der DDR untergebracht.

© Thilo Rückeis

75. Geburtstag von Klaus Töpfer: Der Ex-Umweltminister hat noch viel vor

Klaus Töpfer war Umweltminister, Bauminister, Chef des UN-Umweltprogramms, der Ethikkommission: Inzwischen ist er der inoffizielle Botschafter der Energiewende.

Klaus Töpfer ist nicht zu fassen. Bis heute nicht. Am heutigen Montag feiert der ehemalige Umwelt- und Bauminister und frühere Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen seinen 75. Geburtstag. Und noch immer verbringt er viel Zeit im Flugzeug oder an seinem Schreibtisch in Potsdam beim Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS), das er 2009 als Gründungsdirektor mitgegründet hat. Gemeinsam mit dem Italiener Carlo Rubbia und dem Amerikaner Mark Lawrence leitet er das Institut, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Bürger in einen Dialog zu bringen.
Niemand kann das besser als Klaus Töpfer. Kommunikation ist seine große Stärke, was nicht heißt, dass er ununterbrochen redet. Je älter er wird, desto besser kann Töpfer auch zuhören. Vermutlich hat er das in Afrika gelernt. Die acht Jahre, die er als Unep-Chef in der kenianischen Hauptstadt Nairobi verbracht hat, haben ihn vielleicht sogar noch stärker geprägt als die 20 Jahre Landes- und Bundespolitik, die er da schon hinter sich hatte, als er 1998 ins Flugzeug stieg.
Als Töpfer nach Kenia ging, war Afrika wirklich weit weg. Es gab Festnetz-Telefonleitungen, die immer ausfielen. Es gab noch kein Breitbandkabel in Nairobi. Es gab noch nicht einmal Mobiltelefone, die die Kommunikation heute so leicht machen. Töpfer war abgeschnitten von der Welt. Deutsche Zeitungen, wenn sie überhaupt ankamen, erreichten ihn Wochen später, deutsches Radio oder Fernsehen konnte er auch nicht empfangen. Er fühlte sich in Nairobi ziemlich einsam.

1998 war Kenia noch eine Autokratie nahe an der Diktatur, der ewige Präsident Daniel arap Moi war noch an der Macht und sollte es auch noch drei Jahre bleiben. Eines Abends, erzählte Töpfer einmal, stand Wangari Maathai vor seiner Tür. Sie war auf der Flucht vor Mois Polizei. Damals war die Gründerin des Green-Belt-Movement, die mit ihren Mitstreiterinnnen Hunderttausende Bäume gepflanzt hatte, noch nicht weltberühmt. Der Friedensnobelpreis für Wangari Maathai lag noch weit in der Zukunft. Sie bekam ihn 2004, 2011 ist sie an Krebs gestorben. Doch an diesem einen Abend musste sie mal wieder untertauchen, und Töpfer hat sie versteckt, solange es sein musste. Moi hasste die Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin. Moi nannte sie „diese verrückte Frau“. Klaus Töpfer öffnete ihr, die schon 1984 mit dem alternativen Nobelpreis bedacht worden war, die Türen bei den Vereinten Nationen. 2006 eröffnete sie gemeinsam mit Klaus Töpfer den 12. Weltklimagipfel in Nairobi. Wer damals mit Töpfer über das UN-Gelände in Nairobi lief, kam nicht weit. Kaum ein Umweltminister, Staatschef oder Unternehmenschef, der nicht mit ausgestreckten Armen auf ihn zugerannt wäre. Klaus Töpfer ist bis heute der wohl einzige politische Superstar, der nicht mehr im Amt ist.
Wenn Töpfer nicht gerade in China die Regierung dabei berät, ihr Wachstum weniger zerstörerisch zu gestalten, fährt er morgens mit der S-Bahn von Berlin nach Potsdam. Bis heute kann er kaum irgendwo hingehen, ohne dass er erkannt wird. Aber ihn stört das nicht, im Gegenteil. Er saugt die Geschichten ein, die ihm die Leute erzählen, und verwendet sie dann manchmal sogar in seinen Reden, die er noch immer in großer Zahl hält.

An Rente denkt Töpfer noch immer nicht. Seine Frau lächelt nachsichtig, wenn er vor der Abreise zu irgendeiner Konferenz trotzdem noch eine Rede beim Tagesspiegel hält, wie er das vor ein paar Wochen vor dem Unternehmensnetzwerk „Berlin-Maximal-Club“ getan hat. Und so spult Klaus Töpfer auch weiterhin ein Programm ab, das manchem Jüngeren schon alles abverlangen würde. Aber er hat noch so viel vor: Seit er 2011 gemeinsam mit dem damaligen Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft Matthias Kleiner die Ethikkommission leitete, wirbt er für die Energiewende. Töpfer ist so etwas wie der inoffizielle Botschafter der Energiewende geworden – in der Regierung hatte sich niemand darum beworben. Töpfer sagt: „Sie ist ein Unikat. Und sie muss einfach gelingen.“ Die ganze Welt schaue auf Deutschland. Er schaut dafür auf die Details der Energiewende und ihre Umsetzungsmöglichkeiten – und ist immer deutlich vor den zuständigen Ministern an den entscheidenden Fragen dran.

Klaus Töpfer will aber noch ein anderes Thema groß machen. Im vergangenen Jahr organisierte das IASS zum ersten Mal eine „Global Soil Week“, eine Bodenwoche. „Der Boden ist eine nicht erneuerbare Ressource“, sagt er. Dafür fehle den meisten das Bewusstsein. Und er wäre nicht Klaus Töpfer, wenn er daran nichts ändern könnte.

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