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Gedenken in Stalingrad: Russlands Präsident Putin mit Soldatinnen

© Reuters/Sputnik/Alexei Druzhinin/Kremlin

75. Jahrestag des russischen Sieges: Putin macht Wahlkampf mit Stalingrad-Gedenken

Präsident Wladimir Putin appelliert am 75. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad an den Patriotismus der Russen. Das ist der Kern seines Wahlkampfes.

Der Auftritt des russischen Präsidenten vor dem Wolgograder Konzertpublikum dauerte keine fünf Minuten. Und doch beinhaltete die Grußbotschaft Wladimir Putins, in der er an die „grandiose Schlacht“ von Stalingrad erinnerte und den im Publikum sitzenden Veteranen zu ihrer Tapferkeit gratulierte, die Essenz des Putinismus. Der im schwarzen Anzug gekleidete Staatschef sprach von der Selbstaufopferung der Russen und dem Vermächtnis der Roten Armee. Klar war: Hier geht es nicht um Politik, sondern um etwas Größeres, etwas darüber Stehendes. Es geht um die Pflicht zum Patriotismus.

Feiertage wie der aus Anlass des Sieges in der Schlacht von Stalingrad vor 75 Jahren, dienen neben dem individuellen Gedenken zur Verstärkung dieses kollektiven Bewusstseins. Die 200 Tage dauernde Schlacht war ein Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg, ein unter gewaltigen Verlusten errungener Triumph. Es ist ein „blutiger Feiertag“, wie ein Bewohner Wolgograds am Freitag stolz in eine Fernsehkamera sagte. Denn viele russische Familien haben auf diesem Schlachtfeld Großväter, Onkel oder andere Verwandte verloren. Geschätzt 900.000 sowjetische Soldaten ließen hier ihr Leben. Genaue Zahlen fehlen bis heute. Von der Viertelmillion Wehrmachtssoldaten, die in die Industriestadt an der Wolga einzogen, lebten bei der Kapitulation noch 110.000. Nur 6000 kehrten aus der sowjetischen Gefangenschaft zurück.

Kriegserinnerung als Bindemittel

Das Gedenken an Weltkriegsjubiläen wurde seit Sowjetzeiten immer hochgehalten. Doch in den letzten Jahren ist es zum Fixpunkt der offiziellen Geschichtspolitik geworden. Der Triumph der Roten Armee und die imperiale Stärke der Sowjetunion sind Vorbild für das heutige Russland unter Putin, das abermals siegreich aus der Konfrontation mit neuen Feinden hervorgehen will.

Der Kampf gegen faschistische Kräfte, die manche Russen heute etwa in der Ukraine zu erblicken meinen, wird zur Generationen verbindenden Erzählung. Die unvergleichlich härteren Entbehrungen von damals werden mit heutigen Einschränkungen verglichen, etwa mit den durch die westlichen Sanktionen bedingten Einbußen.

Stolz auf die Vergangenheit, mit dem Blick in die Zukunft – auch diese Richtung gab Putin in seiner Rede vor. Und doch hängt die unmittelbare Zukunft des Landes im Nebel. Kennzeichnend ist vielmehr, dass über die konkrete Perspektive wenig gesprochen wird. Putin hat für seine kommende Präsidentschaft noch kein Programm vorgelegt. Natürlich, die Wirtschaft soll erfolgreicher laufen, das Gesundheitssystem und die Bildungsperspektiven sollen verbessert werden. Da es für Putin aber keine echte Konkurrenz gibt, stehen auch keine Alternativen zur Debatte.

Demonstration der Stärke

Putin ist bei bedeutsamen Anlässen anwesend, als eine Art Vater der Nation. Ansonsten ist seine Kampagne für die Präsidentenwahl am 18. März auf ein Minimum reduziert. Der Präsident besucht verschiedene Regionen und absolviert Auftritte in geschützten Räumen, wo er auf eine ausgewählte Schar von Unterstützern trifft. So geht es von Arbeitskollektiven zu einem Atomkraftwerk, wo er den roten Knopf drückt, von der Besichtigung der Stadien für die Fußballweltmeisterschaft bis hin zu ermüdenden Diskussionsrunden mit regionalen Wirtschaftsvertretern.

Das Staatsfernsehen übertrug die zahlreichen Veranstaltungen mit Live-Berichten. In Wolgograd fand am Vormittag auf dem Platz der gefallenen Kämpfer eine Militärparade statt, während derer stolz alte und neue Waffen präsentiert wurden.

Soldaten marschierten in historischen Uniformen und aktueller Bewaffnung. Insgesamt 75 Militärfahrzeuge fuhren an den Zuschauern vorbei: T-90-Panzer, Haubitzen, die legendären „Katjuscha“-Raketenwerfer ebenso wie die neuen mobilen Raketensysteme Smertsch, Iskander und Triumph. Am Himmel über der Wolga stiegen Helikopter und Kampfjets auf. Tagelang war der Auftritt geprobt worden, trotz Schnee und Minustemperaturen.

Jutta Sommerbauer

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