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Ein Rückkehrer am Flughafen in Kabul.

© Omar Sobhani/Reuters

Abgeschobene Asylbewerber: Fremd in Kabul

Die Bundesregierung verfolgt nicht, was aus abgeschobenen Asylbewerbern in Afghanistan wird. Viele finden wohl nur schwer Anschluss - andere sind erleichtert, wieder zu Hause zu sein.

Zurück in Afghanistan. Für die 77 Männer, die seit Januar aus Deutschland in das Land abgeschoben wurden, ist der Neuanfang in der alten Heimat schwer. Viele der Rückkehrer sind Straftäter, doch einige waren in Deutschland auch gut integriert, hatten eine Arbeit und einen Freundeskreis. Weil sie weiter Kontakt zu ihren deutschen Bekannten halten, dringen nun erste Erfahrungsberichte durch. Ein Unterstützer eines Rückkehrers machte Medien darauf aufmerksam, dass sein Schützling auf Medikamente angewiesen ist, die er in Kabul aber nicht bekomme, obwohl die deutschen Behörden dies versichert hätten. Das TV-Magazin „Monitor“ berichtet über einen Abgeschobenen, der bei einem Bombenanschlag in Kabul verletzt wurde. In Deutschland hätte er eine Ausbildung zum Altenpfleger beginnen können, heißt es in dem Beitrag. In Afghanistan lebe er nun praktisch auf der Straße – in ständiger Angst um seine Sicherheit.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wiederholt indes fast gebetsmühlenartig, dass es abgelehnten Asylbewerbern durchaus zuzumuten sei, wieder in Afghanistan zu leben. „Es gibt dort sichere Regionen, in die sie zurückkehren können“, sagt der Minister. Zivilisten seien zwar Opfer, nicht aber Ziel von Anschlägen, begründete de Maizière kürzlich etwas kryptisch seinen Standpunkt. In einem gemeinsamen Schreiben des Innen- und des Außenministeriums an die Länderinnenminister hieß es im Februar zur Sicherheitslage in Afghanistan: „Vorfälle ereignen sich meist räumlich und zeitlich punktuell.“ Aus dem Auswärtigen Amt hieß es außerdem, jeder Einzelfall werde im Asylverfahren sorgsam geprüft.

"Nachverfolgung stößt an Grenzen"

Was aus den Abgeschobenen wird, verfolgt die Bundesregierung allerdings nicht. Die nach Afghanistan zurückgeführten Personen würden nach ihrer Landung in Kabul „in die Obhut der afghanischen Behörden übergeben“, heißt es aus dem Innenministerium (BMI). Das entspricht dem deutsch-afghanischen Rücknahmeabkommen. Afghanistan, schreibt das BMI weiter, verfüge nicht über ein entwickeltes Meldewesen, „so dass die Möglichkeiten strukturierter Nachverfolgung an Grenzen stoßen“.

Die Rückkehrer, mit 20 Euro Handgeld ausgestattet, sind nach ihrer Ankunft demnach weitgehend sich selbst überlassen. Sie können sich aber an die Internationale Organisation für Migration (IOM) wenden, die ein Büro am Flughafen in Kabul betreibt. „Wir lassen die Männer mit Verwandten telefonieren und helfen, einen Transport in ihre Heimatregionen zu organisieren“, sagt Matthew Graydon, der für die UN-Organisation arbeitet. Wer nicht bei Angehörigen unterkomme, könne zunächst in einer staatlichen Flüchtlingsunterkunft wohnen.

UN-Beratung für Rückkehrer

Wer in Kabul bleibt, hat die Möglichkeit, sich später von IOM-Mitarbeitern bei Job- und Wohnungssuche beraten zu lassen und eine finanzielle Unterstützung zu beantragen. Doch die Hürden sind hoch. Für freiwillige Rückkehrer kann IOM mehr tun. Im Auftrag einzelner EU-Staaten zahlt sie ihnen sogar eine Wohnung oder eine Anschubfinanzierung für ein eigenes Geschäft. Deutschland etwa stelle bis zu 2500 Euro pro Person zur Verfügung, sagt Graydon. Andere EU-Staaten zahlten noch mehr.

Abgeschobene haben noch ein weiteres Problem: Sie genießen in der afghanischen Bevölkerung keinen guten Ruf. „Sie werden pauschal als Kriminelle eingestuft“, sagt Sarah Ayoughi, stellvertretende Geschäftsführerin einer deutschen Hilfsorganisation (Ipso), die in Kabul ein psychosoziales Zentrum betreibt. Hinzu kämen enttäuschte Erwartungen, schließlich hätten Familien oft ihr gesamtes Geld für die Flucht eines Angehörigen geopfert oder sich gar verschuldet. Ayoughis Kollegen haben in ihrer vom Auswärtigen Amt finanzierten Klinik schon Rückkehrer – Freiwillige wie Abgeschobene – behandelt. „Viele sind entwurzelt und völlig isoliert“, sagt sie. Wut und Aggressionen seien die Folge. Die freiwillig zurückgekehrten Afghanen seien in der Regel aber froh, wieder zu Hause zu sein. „Sie hatten sich das Leben in Europa anders vorgestellt und sind oft noch traumatisiert von ihren Fluchterlebnissen.“

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