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Politik: Abgewandert

Der SPD ist die Zuwanderung Qualifizierter ohne Job nicht mehr so wichtig – den Grünen schon

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Von Matthias Meisner

und Robert von Rimscha

Nach der jüngsten Verhandlungsrunde über das Zuwanderungsgesetz im Vermittlungsausschuss dauert der Parteienstreit über die Grundlage der nächsten Gespräche an. Nachdem die Union unmissverständlich klar gemacht hat, dass sie das Punktesystem zur Zulassung von Einwanderern, die kein Arbeitsangebot in Deutschland haben, definitiv ablehnt, ist nun innerhalb des Regierungslagers Streit darüber ausgebrochen, ob weitere Verhandlungen noch in Übereinstimmung mit den rot-grünen Plänen zu bringen sind. Vor allem für die Grünen ist das Punktesystem für die Arbeitsmigration ein Kernstück des modernen Zuwanderungsrechts.

Daher sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck, der Abschied vom Punktesystem sei ein „Sargnagel“ in dem rot-grünen Reformprojekt. Demgegenüber sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz dem Tagesspiegel am Sonntag: „Die klassische Zuwanderung der Arbeitnehmer – die Frage, wer denn nach Deutschland kommt – ist nicht mehr ganz so wichtig.“ Über das von der Union verkündete Aus der Punkte-Zuwanderung sagte Wiefelspütz: „Wir nehmen das zur Kenntnis – und reden weiter. Letztlich kommt es auf das Gesamtpaket an.“ Damit mehren sich in der SPD die Stimmen, die ein Eingehen auf die Unions-Forderung für möglich halten – und die offenbar damit kalkulieren, dass am Ende auch die Grünen nach einer heftigen Zerreißprobe mitziehen. Schon als Innenminister Otto Schily das Zuwanderungsgesetz umschrieb, hatten die Grünen viele Federn lassen müssen.

Bei den Sozialdemokraten wird betont, angesichts von 4,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland habe die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt keine Priorität. Verhandler der SPD sprechen von einer „Akzentverschiebung“ innerhalb der Bestandteile des Gesetzes. Von Schily heißt es, er wolle sein Gesetzesvorhaben an der Klippe Punkte-Zuwanderung nicht scheitern lassen.

Im Verlauf des nun schon zweieinhalb Jahre dauernden Streits über die Neuordnung der Zuwanderung sei das Thema Integration immer wichtiger geworden, betont die SPD. Die Bundestags-Opposition rechnet aber nicht damit, dass die SPD einen „völlig neuen Anlauf“ für ein isoliertes Integrationsgesetz nehmen will. Im Juni 2001 hatte die CDU auf einem kleinen Parteitag ihre Position festgelegt, einen Monat später hatte die Regierungskommission unter Rita Süssmuth ihren Bericht über die Zuwanderung vorgelegt. Im März 2002 war es im Bundesrat zum Eklat über den Regierungsentwurf gekommen, der jetzt, im Wesentlichen unverändert, im Vermittlungsausschuss liegt.

Wiefelspütz sagte, er sei über den „zugespitzten Ton“ der Verhandlungen am Freitag nicht überrascht gewesen. Letztlich sei er mit den Ergebnissen zufrieden. Nun gehe es darum, die nächste Runde am 27. Februar in einer kleinen Gruppe gut vorzubereiten. Wiefelspütz machte aber auch eine versöhnliche Geste gegenüber den Grünen. „Ein Kompromiss nur zwischen SPD und Union reicht nicht“, sagte er. Über die starke Verhandlungsposition der Union macht sich auch der FDP-Innenexperte Max Stadler keine Illusionen. „Ihr apodiktisches Nein zum Punktesystem zeigt, dass sie dem Gesetz ihren Stempel aufdrücken will, dass sie sich auf Zwischentöne nicht einlassen will“, sagte Stadler dem Tagesspiegel am Sonntag. Im politischen Milieu seien die Positionen „festgezurrt“, klagt der FDP-Mann. Einen Kompromiss erleichtern könne nur Druck aus der Wirtschaft – denn die würde, glaubt Stadler, den Nutzen von Zuwanderung durchaus erkennen.

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