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Frank-Walter Steinmeier, Federica Mogherini, Mohammad Javad Zarif, Philip Hammond und John Kerry nach dem Abkommen auf dem Weg zum gemeinsamen Foto.

© REUTERS

Abkommen mit dem Iran: An das Existenzrecht Israels denken

Nach dem Abkommen mit dem Iran sind die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland durchaus belastet, meint Ex-Botschafter Shimon Stein. Denn das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend. Ein Gastbeitrag.

2007 trat Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf. Sie sagte damals Folgendes: "Jeder deutsche Bundeskanzler vor mir war der besonderen historischen Verantwortung Deutschland für die Existenz Israels verpflichtet. Zu dieser besonderen historischen Verantwortung bekenne ich mich ausdrücklich. Sie ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist nicht verhandelbar. Und wenn das so ist, dann dürfen das auch keine leeren Worte bleiben." Diese Worte hat sie auch 2008 vor dem israelischen Parlament wiederholt, mit einem kleinen, aber wichtigen Unterschied. Im letzten Satz sagte Merkel: "Und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben."

Wenn man Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hört, der das Abkommen mit dem Iran lobt und es auch als Beitrag zur Sicherheit Israels sieht, dann stellt sich die Frage nach der Bewährungsprobe und nach der Stunde der Wahrheit gar nicht. Weil es den sechs Verhandlungsmächten (den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland) angeblich gelungen ist, die atomare Bedrohung durch den Iran abzuwenden. Wenn man andererseits Israels Premier Benjamin Netanjahu hört, dann ist klar, dass das Abkommen aus seiner Sicht ein historischer Fehler ist, der Israels Sicherheit gefährden wird.

Es stellt sich zunächst die Frage, wer Recht hat und dann, wer entscheidet, ob und in welchem Ausmaß Israels Sicherheit durch das Abkommen gefährdet wird - und ob infolgedessen  die Stunde der Wahrheit gekommen ist. Wenn es nur die Entscheidung Deutschland sein soll, dann geraten wir in die Lage, dass nicht Israel über seine Sicherheit entscheidet. Sondern Deutschland, das die Verpflichtung auf sich genommen hat, für die Sicherheit Israels Sorge zu tragen, wenn die undefinierte Stunde der Wahrheit kommt. (Das soll wiederum nicht bedeuten, dass Deutschland Israel in Sachen Sicherheit bis heute nicht geholfen hat.).

Schon vor dem Ende der Verhandlungen - und erst recht nach dem Abschluss - zeichnen sich klare Meinungsunterschiede zwischen dem offiziellen Israel und Deutschland im Hinblick auf das Ergebnis ab. Sie scheinen unüberbrückbar zu sein und können die Beziehungen durchaus belasten. Denn, wenn man (wie Barack Obama) behauptet, dass man dem Iran nicht vertrauen soll und deshalb strenge Inspektionen durchführen muss, dann ist das Ergebnis bei weitem nicht zufriedenstellend.

Mit dem Abkommen setzt man auf das Prinzip Hoffnung. Man hofft, dass das Abkommen Anreize für das iranische Regime schaffen wird. Damit es zu einem gewissen innenpolitischen Wandel (auch durch Handel, Kultur, usw.) kommt und gleichzeitig zu einer Veränderung der iranischen Außen- und Sicherheitspolitik. Aber worauf beruht diese Hoffnung? Es gibt erstens keine Anzeichen dafür, dass der Iran seine Absichten zum Aufbau einer nuklearen Option aufgegeben hat (das Abkommen hat das Thema nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben). Zweitens haben die regionalen Zwänge sich nicht geändert, aus denen heraus das iranische Atomprogramm entstanden ist. Und drittens werden eine revisionistische Politik und der Versuch, die Region zu dominieren, auf absehbare Zeit weiterhin Bestandteil der raison d’etat des iranischen Regimes bleiben.

Sigmar Gabriel hat das Richtige getan

Deutschland und die EU werden gut beraten sein, ihre Bereitschaft zu einer Annäherung von dem Prinzip more for more and less for less abhängig zu machen. Soll heißen, dass eine Fortsetzung der destruktiven Politik in der Region nicht belohnt wird - umgekehrte Schritte aber schon. In diesem Zusammenhang hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Richtige getan, als er während seines Iran-Besuchs das Existenzrecht Israels ansprach und das Regime (als Teil seiner "neuen Verantwortlichkeit") aufforderte, dieses Existenzrecht anzuerkennen. Weil Israels Sicherheit für Deutschland, so der Minister, "große Bedeutung" hat, stellt sich die Frage, ob das iranische Verhalten in dieser Sache auch ein Maßstab für die "Normalisierung" der Beziehungen sein wird.

Der Tag nach dem Abkommen wird Israel und die Region vor neue Herausforderungen stellen. In Anbetracht der Unfähigkeit der EU, der gegenwärtigen Herausforderung in der südlichen Nachbarschaft gerecht zu werden, stellt sich die Frage, ob die EU in der Lage sein wird, einen substanziellen Beitrag zu Bewältigung der neuen Herausforderungen nach dem Iran-Abkommen zu leisten.

Der Autor war zwischen 2001 und 2007 israelischer Botschafter in Deutschland.

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