zum Hauptinhalt
Aktivisten besetzen einen Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Inden.

© dpa/Federico Gambarini

Update

Proteste rund um Lützerath gehen weiter: Aktivisten besetzen Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Inden in NRW

Nach der Räumung des Dorfes Lützerath gibt es am Dienstag weitere Protestaktionen. Eine Gruppe besetzt einen Bagger, eine andere blockiert Gleise zu einem Kraftwerk.

| Update:

Nach der Räumung von Lützerath haben Kohle-Gegner ihre Proteste am Dienstagmorgen an mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt. Im Braunkohletagebau Inden wurde ein Schaufelradbagger besetzt, der daraufhin die Arbeit einstellen musste. Die Polizei Aachen sprach von etwa 20 beteiligten Aktivisten, ein Sprecher des Energiekonzerns RWE von 30 bis 40.

In der Nähe von Rommerskirchen hat nach Polizei- und RWE-Angaben zudem eine Gruppe von etwa 20 Aktivisten Werksbahnschienen zum Kraftwerk Neurath besetzt. Krawalle habe es zunächst an keinem Standort gegeben. „Hier fährt heute kein Kohlezug. Wir stellen uns der Zerstörung mit unseren Körpern in den Weg“, twitterte das Bündnis „Ende Gelände“ über einem Foto von Aktivisten in weißen Ganzkörperanzügen auf Bahngleisen. „Klimaschutz bleibt Handarbeit!“

In Köln haben festgeklebte Klimaaktivisten haben mit einer Blockade-Aktion den Berufsverkehr massiv ins Stocken gebracht. Sie saßen quer auf einer Straße und hielten ein Banner hoch, das auf die Gruppierung Letzte Generation hinwies. Dazu waren gelbe Kreuze zu sehen - die Protest-Symbole gegen den Abriss von Lützerath.

Die Polizei sperrte nach eigenen Angaben Zufahrten und führte den Verkehr vorbei. Drei Personen seien auf der Straße festgeklebt, drei seien bereits weggetragen worden, sagte eine Polizeisprecherin am Morgen. Ein dpa-Fotograf berichtete von einem Stau und wütenden Kommentaren von Autofahrern in Richtung der Aktivisten. Die Gruppierung Letzte Generation twitterte ein Foto aus Köln und erklärte: „Die Kohle unter #Lützerath muss im Boden bleiben!“

Die Einsatzkräfte der Polizei richteten sich auf mehrere spontane, dezentrale Aktionen ein. Das Aktionsbündnis „Lützerath Unräumbar“, zu dem auch Gruppen von Fridays For Future und Letzte Generation gehören, hatte zuvor für Dienstag zu einem gemeinsamen Aktionstag aufgerufen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die zwei Aktivisten, die tagelang in einem unterirdischen Tunnel am Braunkohleort Lützerath ausgeharrt hatten, hatten der Polizei unterdessen „Zerstörungswut“ bei der Geländeräumung vorgeworfen. „Mit gemischten Gefühlen beobachten wir, wie viel Aufmerksamkeit die Medien dem Tunnel geschenkt haben“, zitierte die Initiative „Lützerath lebt“ die beiden Aktivisten am Montagabend.

„Die Fragen, die uns am häufigsten gestellt wurden - wie es uns geht, was wir da unten gemacht haben, wie wir den Tunnel gebaut haben - sind absolut irrelevant und gehen komplett am eigentlichen Thema vorbei.“ Die beiden Personen, die sich „Pinky“ und „Brain“ nennen, hatten den Tunnel am Montagmittag verlassen.

Damit war das Ende von Lützerath fünf Tage nach Beginn der Räumung der einstigen Ortschaft in greifbare Nähe gerückt. Nach Angaben des Energiekonzerns RWE, der dort Kohle ausbaggern will, handelte es sich um die letzten Aktivisten vor Ort, die Räumung durch die Polizei sei damit beendet.

Tunnelbesetzer hatten am Montag freiwillig aufgegeben

Ein Sprecher der Initiative „Lützerath lebt“ sagte der Deutschen Presse-Agentur am Abend, die beiden Aktivisten wollten weiter anonym bleiben, daher veröffentliche man deren Erklärung „in Kooperation“.

Darin heißt es: „Der Tunnel an sich hat keine Bedeutung, die entscheidendere Frage ist, warum er gebaut und besetzt wurde.“ Ein Großkonzern habe mit Unterstützung der Politik ein ganzes Dorf zerstören wollen, „um mit der Förderung des ineffizientesten fossilen Energieträgers seine Profite zu steigern“. Und: „Wir sind erschüttert über die Zerstörungswut, mit der sich die Polizei wieder einmal zum Handlanger eines Großkonzerns gemacht hat.“

Die im Tunnel verschanzten Klimaaktivisten hatten am Montag aufgegeben und waren freiwillig nach draußen gekommen. Zunächst war nicht absehbar gewesen, wie lange es dauern würde, sie aus dem Gang unter der Erde rauszuholen. Die Werkfeuerwehr von RWE hatte die als „Rettung“ bezeichnete Aktion übernommen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Um sie zur Aufgabe zu bewegen, hatte der Energiekonzern offenbar ein Unternehmen aus der Schweiz beauftragt, um die Verhandlungen zu führen. Das berichtet der „Spiegel“ aus einem internen Dokument der nordrhein-westfälischen Polizei vom Montag.

Die Aktion der Aktivisten war riskant. Angaben eines REW-Sprechers zufolge war der Tunnel mit einer Lüftungsanlage versehen worden. Damit diese nicht ausfiel, hatte RWE die dafür genutzte Autobatterie regelmäßig aufgeladen und auch Sauerstoff in den Tunnel eingeleitet.

Die Lützerath-Aktivisten erklärten auf Twitter, dass die beiden Personen den Tunnel „selbst“ verlassen hätten. „Tausend Dank für euren lebensgefährlichen Einsatz gegen die Braunkohle & Kapitalismus“, schrieben sie. „Die beiden wollen auf jeden Fall auch der Öffentlichkeit sagen: Sie sind sich gut bewusst, was sie getan haben“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath Lebt“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sie seien auf ihre Situation gut vorbereitet gewesen und hätten eigentlich auch noch länger bleiben können. „Auf mich wirkten die erstmal körperlich fit“, sagte sie. Sie dürften das Gelände nach ihren Informationen nun verlassen und sich frei bewegen.

Ein Video zweier vermummter Personen auf der Plattform Youtube hatte seit Donnerstag für Aufsehen gesorgt. Sie gaben darin an, sich in einem Tunnel unter Lützerath aufzuhalten. Der Tunnel sei eine sehr effektive Verteidigungsform gegen eine Räumung, argumentierten sie. Es sei viel schwieriger, einen Tunnel zu räumen als etwa ein Baumhaus.

Die Aktivisten hatten sich im Video als „Pinky“ und „Brain“ vorgestellt.
Die Aktivisten hatten sich im Video als „Pinky“ und „Brain“ vorgestellt.

© Screenshot Tagesspiegel.

Lützerath ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz westlich von Köln werden derzeit abgerissen, um RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Kohle abzubaggern.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich erfreut über die rasche Räumung. Die Behörden hätten zunächst mit einer Dauer von „vier bis sechs Wochen“ gerechnet.

Angesichts der anhaltenden Proteste warnte er vor weiteren Straftaten. Er sprach in Bezug auf Vorfälle in den vergangenen Tagen von „Chaoten“. „Man kann auch für Klimaschutz und die Sache werben und muss keine Straftaten begehen“, sagte Reul am Montag in Düsseldorf.

Gegen den Abriss und das geplante Abbaggern der Kohle hatte sich Widerstand formiert. Aktivistinnen und Aktivisten hatten sich in Baumhäusern und Gebäuden verbarrikadiert, um Lützerath zu erhalten. Hunderte waren im Zuge der Räumung dann von der Polizei weggebracht worden oder hatten das Protestdorf freiwillig verlassen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte die Methoden der Klima-Aktivisten. „Mit brennenden Barrikaden, einem einsturzgefährdeten Tunnel und wackligen Baumhäusern in großer Höhe haben Aktivisten nicht nur sich selbst in große Gefahr gebracht, sondern auch die Einsatzkräfte“, schrieb die SPD-Politikerin am Montag in einer Mitteilung. „Das ist verantwortungslos“, fügte Faeser hinzu.

Reul zufolge wurden 102 Polizisten verletzt. „Allerdings wurden viele nicht in Auseinandersetzungen verletzt“, stellte Reul in der „Bild“-Zeitung (Dienstagsausgabe) klar. „Einige Verletzungen rühren schlicht von den örtlichen Gegebenheiten.“ „Seit Beginn der Räumung, also nicht nur in der Vorwoche, haben wir rund 200 Anzeigen gegen Besetzer und Demonstranten geschrieben“, bilanzierte er zudem. Das Spektrum der Straftaten umfasse unter anderem Körperverletzung, Widerstand, Landfriedensbruch und Diebstahl.

Der CDU-Politiker kritisierte zudem die Berichterstattung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) über die Räumung von Lützerath: „Der WDR gefährdet sein Ansehen, wenn er eine radikale Gruppe 50 Minuten live überträgt.“ Reul bezog sich dabei laut „Bild“ auf eine Pressekonferenz von Klimaaktivisten, welche der WDR am Sonntag 50 Minuten lang live und unkommentiert übertragen habe. „Diese Pressekonferenz grenzte an Propaganda radikaler Aktivisten. Und der WDR hat das fröhlich übertragen“, kritisierte Reul.

Demonstranten und Polizisten wurden verletzt

Aktivisten hatten der Polizei wiederum Gewalt-Exzesse bei der Großdemonstration vorgeworfen. Aufseiten der Aktivisten und Demonstranten wurde die Zahl der Verletzten seit Beginn der Polizeiaktionen am 8. Januar auf rund 300 geschätzt. Am Samstag seien es „um die 120 Verletzte“ gewesen, sagte ein Sprecher von „Lützerath lebt“. Eine andere Sprecherin der Initiative sprach von „mindestens 90“ Verletzten am Samstag.

Gerade die Verletztenzahl zu Beginn der Polizeimaßnahmen sei nicht gut dokumentiert worden und könne nur geschätzt werden, räumte der Sprecher ein. Die Schätzung könne sich auch noch erhöhen, denn die Demonstranten seien noch aufgerufen, ihre Verletzungen nachträglich zu melden.

Ein Demonstrant durchbricht am Samstag die Polizei-Absperrung.
Ein Demonstrant durchbricht am Samstag die Polizei-Absperrung.

© AFP/Ina Fassbender

Die Polizei nannte keine Zahl verletzter Demonstranten und Aktivisten, bestätigte aber, dass am Samstag neun Mal Demonstranten mit Rettungswagen in Krankenhäuser gebracht worden seien. In Lebensgefahr habe sich aber keiner der Demonstranten befunden. Die Polizei hatte am Samstag Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt.

In einzelnen Fällen habe man von Amts wegen Strafanzeige gegen Polizisten gestellt, weil sich anhand von Videoaufnahmen der Verdacht der Körperverletzung im Amt ergeben habe, bestätigte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums am Montag. Dabei handele es sich um übermäßigen oder in der konkreten Situation ungerechtfertigten Schlagstockeinsatz.

Dass am Samstag Steine und Pyrotechnik auf Polizisten geworfen wurden, bestätigten beide Seiten. Der Sprecher von „Lützerath lebt“ dementierte aber, dass Molotow-Cocktails geflogen seien.

Diese Bundesregierung hat verstanden, dass wir alles für das Gelingen der Energiewende tun müssen.

Regierungssprecherin Christiane Hoffmann

„Seitens der Polizei wurde in Lützerath geltendes Recht durchgesetzt“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Dies müsse akzeptiert werden, und von einem Großteil der friedlich demonstrierenden Versammlungsteilnehmer sei dies auch akzeptiert worden.

Der Einsatz müsse nun aufgearbeitet werden, auch die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Polizei. Dies hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bereits angekündigt. Reul warnte vor „unbelegten“ Gewaltvorwürfen gegen die Polizei: „Ich bin nicht bereit, diese pauschalen, unbelegten Schilderungen zu akzeptieren, die von Kopfschlägen gegen Demonstranten handeln. Diese Vorwürfe muss man belegen.“

An die Aktivistinnen und Aktivisten gerichtet erklärte Hoffmann: „Diese Bundesregierung hat verstanden, dass wir alles für das Gelingen der Energiewende tun müssen.“ Der Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 müsse aber auch umsetzbar sein. Bis dahin will Deutschland nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als auch wieder gebunden werden können. „Wir können nicht von heute auf morgen die fossilen Energien hinter uns lassen“, sagte Hoffmann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false