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Politik: Abschied von der alten Garde

Mit der Entlassung der Regierung bereitet der russische Präsident Putin seine zweite Amtszeit vor

Der Blitz kam aus heiterem Himmel. Um kurz nach 16 Uhr Moskauer Ortszeit entließ Wladimir Putin am Dienstag Premier Michail Kasjanow und damit die gesamte Regierung. Zum amtierenden Regierungschef wurde Viktor Christenko ernannt, der bisher einer der sechs Stellvertreter Kasjanows war. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass der Kreml damit keineswegs entschieden hat, wer künftig an der Spitze des Kabinetts stehen wird und wie die Schlüsselressorts besetzt werden. Das zumindest lässt sich aus Putins Worten selbst entnehmen, der in einer kurzen Fernsehansprache sagte, die Entlassung des Kabinetts bedeute in keiner Weise eine Wertung seiner Tätigkeit, die Putin als „im Großen und Ganzen zufrieden stellend“ bezeichnete. Vielmehr habe er noch einmal verdeutlichen wollen, welchen Kurs Russland nach den Präsidentenwahlen am 14. März einschlagen solle. Dass Putin mit überwältigenden Mehrheiten für eine zweite Amtszeit gewählt werden wird, bezweifelt in Russland niemand.

Michail Kasjanow war im Mai 2000 zum Premier ernannt worden. Zuvor hatte der massige Mittvierziger das Amt des Finanzministers inne, das ihm noch Boris Jelzin anvertraut hatte. In dessen Auftrag verhandelte Kasjanow erfolgreich mit westlichen Gläubigern über die Restrukturierung der russischen Auslandsschulden. Wegen Kasjanows Nähe zu Jelzin und dessen Clan, vor allem zu einer Reihe von inzwischen in Ungnade gefallenen „Oligarchen“ – allen voran die Multimillionäre Boris Beresowskij und Jukos-Chef Michail Chodorkowskij – sagten Beobachter in den vergangenen vier Jahren immer wieder eine Entlassung der Regierung voraus. Neue Nahrung erhielten diese Spekulationen, als Kasjanow nach der Verhaftung Chodorkowskijs im vergangenen Herbst das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als „unverhältnismäßig“ kritisierte. Kurzzeitig wurde er sogar als liberaler Gegenkandidat Putins und als dessen möglicher Nachfolger gehandelt.

Kasjanow war jedoch klug genug, nie politische Ambitionen durchscheinen zu lassen. Stattdessen akzeptierte er – jedenfalls nach außen hin – demütig die Rolle der russischen Regierung als Wurmfortsatz des Präsidentenamtes, wo alle wirklich bedeutsamen Entscheidungen der russischen Innen- und Außenpolitik gefällt werden.

Seine Entlassung war dennoch unumgänglich. Laut Verfassung kann Putin nur noch ein Mal wiedergewählt werden. Eine Verfassungsänderung, die ihm weitere Amtszeiten ermöglichen würde, strebt er bisher nicht an. Damit bleiben ihm ganze vier Jahre, um Russland wieder zu imperialer Größe, einem straffen Machtapparat und einer prosperierenden Wirtschaft zu verhelfen. Ziele, die er bereits bei seinem Amtsantritt im März 2000 zu Prioritäten erklärte. Dass nennenswerte Erfolge dabei bisher ausblieben, liegt nicht zuletzt daran, dass in der Regierung und bis zu den personellen Umbesetzungen im Präsidentenamt im Herbst drei Einflussgruppen um die Macht rangen, zwischen denen Putin immer weniger vermitteln und ausgleichen konnte.

Die wohl wichtigste Gruppe bildet Putins Petersburger Landsmannschaft aus dem Dunstkreis der Geheimdienste. Einen weiteren Machtzirkel bilden junge Liberale wie Finanzminister Alexej Kudrin und Wirtschaftsminister German Gref. Die dritte Gruppe schließlich – jene um Kasjanow – stammt noch aus der Jelzin-Ära.

Nachdem die Petersburger Gruppe schon im Präsidentenamt das Machtgerangel für sich entschied, gilt als sicher, dass der neue Premier ebenfalls aus diesem Umfeld kommen wird.

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