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Kondolenzbuch für Lothar Bisky im Foyer der Volksbühne.

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Abschied von Lothar Bisky: Verirrt in den Elefantenrunden

"Ein feiner Mensch" sei Lothar Bisky gewesen. So äußern sich die Redner bei der Gedenkfeier für den verstorbenen ehemaligen Linke-Chef. Die Prominenz der anderen Parteien fehlt fast vollständig.

Von Matthias Meisner

Es tut so weh, so weh“, sagt Gregor Gysi zum Schluss seiner Ansprache. Er ist der erste Redner am Samstag in der Volksbühne bei der Gedenkfeier für seinen Genossen Lothar Bisky. 500 Verwandte, Freunde und Weggefährten haben sich versammelt zu Ehren des Linken-Politikers, der am 13. August gestorben war, kurz vor seinem 72. Geburtstag. Als „unbegrenzt tolerant“ lobt Gysi seinen langjährigen Mitstreiter: „Er hatte einen durch und durch guten und anständigen Charakter.“

Auch die anderen, die das Wort ergreifen, sind voll des Lobes über den lebenslustigen und liebenswürdigen Mann. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe nennt Bisky „ein Vorbild“ und preist ihn als Brückenbauer, wobei der Linke dann „nicht selten zwischen den Ufern gestanden“ habe. Bisky hatte Anfang der 90er Jahre den Untersuchungsausschuss im Potsdamer Landtag geleitet, der die Stasi-Vorwürfe gegen den SPD-Politiker aufklären sollte. Er kam zum Schluss, dass Stolpe ein „Mann der Kirche“, aber auch ein „loyaler DDR-Bürger“ gewesen sei. Stolpe ist im Saal der einzige Sozialdemokrat von Rang. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz immerhin lässt ein Grußwort verlesen, auch Altbundespräsident Horst Köhler ist da - und der frühere SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz. Die anderen Parteien fehlen.

Gedenkredner Manfred Stolpe (SPD), früherer Ministerpräsident von Brandenburg.
Gedenkredner Manfred Stolpe (SPD), früherer Ministerpräsident von Brandenburg.

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Acht Jahre sind vergangen, seitdem der Bundestag Bisky viermal in Folge durchfallen ließ, als der für das Amt des Parlamentsvizepräsidenten vorgeschlagen war. Obwohl Bisky gemeinhin als äußerst aufgeschlossener Politiker galt, fällt den anderen Parteien der entspannte Umgang selbst an diesem Gedenktag nicht leicht. Als „böse Demütigung“ rügt Stolpe die Nicht-Wahl Biskys 2005. Gysi sagt, er habe das damals den anderen Parteien sehr übel genommen, mehr noch als Bisky selbst.

Oskar Lafontaine (links) und Gregor Gysi vor der Berliner Volksbühne.
Oskar Lafontaine (links) und Gregor Gysi vor der Berliner Volksbühne.

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Bisky wurde schon vor Wochen im engsten Kreis auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte beigesetzt. In der Volksbühne war für viele die erste Gelegenheit, Abschied zu nehmen. Zwei Stunden macht die Linke Pause vom Wahlkampf, ihre Prominenz ist fast vollzählig erschienen. Nur Sahra Wagenknecht, von Bisky mal „Njet-Maschine“ genannt, demonstriert in Bochum für Umverteilung. Dafür sitzt Oskar Lafontaine, der die Partei jahrelang zusammen mit Bisky führte, in der ersten Reihe, obwohl es das Spitzenduo nicht immer leicht miteinander hatte.

Bis 1989 war Bisky Rektor der Potsdamer Filmhochschule, Andreas Dresen sein Student. „Was machtest Du plötzlich in diesen Elefantenrunden?“ fragte Dresen sich, als Bisky in die „Welt der belegten Brötchen“ gegangen war, wie er seinen Lehrmeister zitierte. „Es wirkte, als hättest du dich dorthin nur verirrt, mit deinem verlegenen Lachen, deiner graden Einfachheit.“ Dresen hat begriffen, dass Bisky in die Politik gegangen ist – aber nicht, dass er dort geblieben ist. Nach der Veranstaltung sucht Gysi nach Dresen. Er will ihm sagen, dass ihm diese Bemerkung sehr zu denken gibt.

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