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Abschuss eines russischen Militärjets: So können Kriege beginnen

Der Stellvertreterkrieg in Syrien birgt enorme Risiken - wie der Abschuss eines russischen Militärjets durch die Türkei verdeutlicht. Umso wichtiger ist die Fortsetzung der Syriengespräche. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

In militärischen Übungsannahmen können so Kriege beginnen, in der Geschichte gibt es Beispiele genug dafür. Wenn niemand da ist, der einen kühlen Kopf behält und sich auf deeskalierende Maßnahmen besinnt, wird ein einzelner Zwischenfall schnell das erste Glied einer Kette immer folgenschwererer Aktionen. Zündstoff dafür wäre da gewesen: Die Luftwaffe des Nato-Mitglieds Türkei schießt ein russisches Kampfflugzeug ab, das angeblich trotz mehrfacher Warnungen dessen Luftraum verletzte.

Anders als über dem Baltikum und der Ostsee, wo Putins Luftwaffe seit Monaten immer wieder die westliche Flugabwehr provoziert, tobt aber in Syrien ein heißer Krieg, in den beide Supermächte verwickelt sind. Dass der russische Außenminister Lawrow vor diesem Hintergrund seinen geplanten Besuch der Türkei absagte, war kein Akt der Zuspitzung, sondern eher der Selbstachtung, da Ankara keinen Versuch machte, den Kontakt mit Moskau aufzunehmen.

Es grenzt an ein Wunder, dass sich bis zu diesem Zwischenfall über dem syrisch-türkischen Grenzgebiet noch nie russische, amerikanische und französische Maschinen gegenseitig gefährdet haben. Die Ziele, die sie bombardieren, liegen oft nicht weit auseinander, eine einheitliche Luftraumüberwachung gibt es nicht. Aus dem ursprünglichen Bürgerkrieg gegen den Diktator Assad ist schon vor Jahren ein Stellvertreterkonflikt geworden. In ihm will der Iran, seit Wochen mit massiver militärischer Unterstützung Russlands, den Gewaltherrscher stützen, während im Hintergrund Saudi-Arabien mit aktiver Hilfe der Türkei, der USA und Frankreichs genau das Gegenteil erreichen will – den Sturz Assads.

Die Kurden und vor allem die Peschmerga gerieten dabei zwischen die Lager. Sie bekämpfen Assads Truppen und werden dabei unter anderem von Deutschland taktisch angeleitet, sind ihrerseits aber zum Opfer türkischer Luftschläge geworden, weil Erdogan das Entstehen kurdischer Autonomiegebiete mit aller Macht verhindern will.

Vielleicht bedurfte es der Eskalation, um allen in den Konflikt verstrickten ausländischen Parteien bewusst zu machen, wie dringlich eine Fortsetzung der Wiener Syriengespräche ist. Sie waren ja erst, was leicht vergessen wird, mit dem Eingreifen Russlands in den Konflikt möglich geworden. Bis dahin hatten vor allem Saudi-Arabien und Iran wenig Engagement zur Beilegung des Stellvertreterkrieges gezeigt.

Wenn Steinmeier also ein so ausgezeichneter Politiker sein soll, dann wäre er als Außenminister besser aufgehoben als als Bundespräsident. Die SPD verliert dann auch ein wichtiges Wahlkampfpferd. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb sich die Union mit dem Vorschlag einverstanden erklärt hat?

schreibt NutzerIn fiffikronsbein2

Bereits bei der ersten Konferenzrunde vom 30. Oktober und vertiefend bei der zweiten am 14. November war der Rahmen einer Friedensregelung abgesteckt worden: Vor allem die sich „Islamischer Staat“ nennenden Terroristen müssen mit vereinten Kräften besiegt werden, die Hilfe für Flüchtlinge und Gastländer aufgestockt, Syrien in seiner territorialen Integrität als Staat erhalten bleiben. Zu den in Wien vereinbarten neun Punkten gehört ein zehnter, nicht ausbuchstabiert, aber inhaltlich kaum umstritten: Ohne Assad lässt sich der Konflikt nicht lösen, mit ihm keine dauerhafte Friedenslösung etablieren.

Für die weiteren Gespräche in der österreichischen Hauptstadt und die daran Beteiligten gilt dann eine Parole, wie sie der vor zwanzig Jahren ermordete israelische Ministerpräsident Jitzchak Rabin für den Nahen Osten ausgegeben hatte: Friedensgespräche führen, als gäbe es keinen Terror, den Terror bekämpfen, als gäbe es keine Friedensgespräche.

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