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Politik: „Absolut reines Gewissen“

Wiens Finanzminister hat sich von der Industrie sponsern lassen

Ins Amt kam er im Februar 2000 als jüngster Finanzminister Österreichs. Jetzt ist Karl-Heinz Grasser 34 Jahre alt, gut 1,90 Meter groß, rank und schlank, gefragtes Titelmotiv von bunten Illustrierten. Unter seinen Initialen versucht er sich als Marke zu verkaufen; mit einem „KHG"-Anstecker ziert er sein eigenes, ansonsten ordenfreies Revers. Und obgleich er die Abgabenlast auf ein in Österreich ungekanntes Maß geschraubt hat, gilt Grasser als beliebtestes Mitglied der ÖVP/FPÖ-Regierung.

Oder galt. Unversehens nämlich steht ausgerechnet der Finanzminister als Steuerbetrüger dar. Noch bewegt sich alles im Bereich von oppositionellen und medialen Vorwürfen; ob strafrechtlich relevant oder nicht, ist umstritten. Grasser selbst bescheinigt sich ein „absolut reines Gewissen". Fest steht: Der Finanzminister hat sich seine persönliche Homepage von einer der potentesten Lobby-Gruppen des Landes finanzieren lassen, der Österreichischen Industriellenvereinigung (IV). Mindestens 175 000 Euro hat sie dafür hingeblättert, „dass Grasser eine Wirtschaftspolitik in unserem Sinne unter das Volk bringt". So sagt es ganz offen der Generalsekretär der IV, Lorenz Fritz.

Das Geld ging nicht direkt an Grasser, sondern an einen „Verein zur Förderung der New Economy", dessen wenige Mitglieder zugleich den engsten Stab Grassers leiten oder ihm angehören. Der Verein ist als gemeinnützig angemeldet und genießt dadurch Steuerfreiheit. Nur steht in Frage, worin die Gemeinnützigkeit besteht, oder ob es sich um eine Umgehungskonstruktion zur steuerschonenden Behandlung größerer Politikerspenden handelt. Steuern, so viel ist sicher, hat weder der Verein noch der faktische Nutznießer, also der Minister, gezahlt.

Grasser verteidigt sich: Ein Gutachten bestätige ihm, dass alles „steuerlich völlig korrekt" abgelaufen sei; das vom Kammervorsitzenden der Wirtschaftstreuhänder erstellte Papier werde er dem zuständigen Finanzamt übersenden.

Auf die Frage, ob er die Spende in ihrer Optik korrekt finde, sagt Grasser, ein „unabhängiger Finanzminister" solle für seine Homepage eben „nicht die Steuerzahler belasten". Außerdem habe er seine Politik nach der Spende der Großindustrie „nicht im Leisesten verändert". Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der im Parlament angesichts eines Misstrauensantrags schützend seine Hand über Grasser gehalten hat, erklärt mittlerweile, auch er lasse sich seine Homepage sponsern. Grasser sieht das Problem auf der anderen Seite: „Nicht anständig" sei die „Hetzkampagne" des politischen Gegners.

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