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Abstimmung: Bundestag entzieht Schröder das Vertrauen

Der Bundestag hat den Weg zu einer Neuwahl eröffnet. Bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage erlitt Bundeskanzler Gerhard Schröder wie von ihm gewünscht eine Niederlage. Nun liegt die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages bei Bundespräsident Köhler. (01.07.2005, 16:06 Uhr)

Berlin - Unmittelbar nach dem von ihm gewünschten Scheitern im Parlament bat Kanzler Gerhard Schröder (SPD) am Freitag Bundespräsident Köhler um die Auflösung des Bundestags. Köhler hat bis zum 22. Juli Zeit, den Antrag auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen und über eine Neuwahl am 18. September zu entscheiden. Er behält sich laut Präsidialamt wegen der «komplexen» Fragen vor, die Frist voll auszuschöpfen. Die Union sieht nun Chancen für einen Machtwechsel.

Am Vormittag hatte der Bundestag zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik den Weg zu einer vorgezogenen Bundestagswahl eröffnet. Schröders Vorgehen hatte einen tiefen Riss durch die Fraktionen von SPD und Grünen bewirkt, was sich im Abstimmungsergebnis widerspiegelte. Trotz der Bitte der SPD-Spitze um Enthaltung sprachen Schröder 151 Abgeordnete der Koalition das Vertrauen aus. 148 enthielten sich - darunter auch Schröder und andere Bundesminister. Die SPD verfügt über 248 Sitze, die Grünen über 55. Mit Nein stimmten 296 Parlamentarier. Dies entspricht den Sitzen der Opposition.

Nach wochenlangem Rätselraten über seine Motive begründete Schröder in einer 29-minütigen Rede den Schritt mit mangelndem Rückhalt und «klar abweichenden Positionierungen» in der rot-grünen Koalition. Er könne nicht mit dem notwendigen und stetigen Vertrauen der Parlamentsmehrheit im Sinne des Artikels 68 Grundgesetz rechnen. Allerdings sind seine Zweifel nicht belegt durch das bisherige Verhalten der Koalition, die bei allen wesentlichen Abstimmungen in der Vergangenheit hinter ihm stand.

Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz kündigte eine Klage vor dem Verfassungsgericht gegen eine etwaige Auflösung des Bundestags durch Köhler an. Er sprach von einem «inszenierten, absurden Geschehen». Schröder sei ein Kanzler, der seiner eigenen Mehrheit nicht mehr vertraue, die in sieben Jahren Regierungszeit nicht ein einziges Mal versagt habe. Auch kleine Parteien haben eine Klage angekündigt.

Verfassungsrechtler werteten vor allem die Bemerkung von SPD- Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering als kritisch, wonach Schröder weiterhin das volle Vertrauen der SPD-Fraktion habe. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1983 zur Vertrauensfrage von Kanzler Helmut Kohl (CDU) aus dem Jahr 1982 entschieden, dass dies nur bei einer echten Regierungskrise zulässig sei.

Schröder sagte, das Reformprogramm der Agenda 2010 habe zum Streit in allen Fraktionen geführt. Der für die SPD und ihn persönlich sehr bittere Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai sei das letzte Glied in einer Kette schmerzlicher Wahlniederlagen gewesen. Es sei die Frage gewesen, ob die «volle Handlungsfähigkeit» der Regierung noch gegeben sei. Ohne Ex-Parteichef Oskar Lafontaine namentlich zu erwähnen, erinnerte der Kanzler auch daran, dass Ex- SPD-Mitglieder zur linken Wahlalternative WASG gewechselt seien. Ferner verwies er auf eine «destruktive Blockadepolitik» der Union im Bundesrat.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) machte deutlich, dass eine Neuwahl nicht die Idee der Grünen gewesen sei. Seine Partei unterstütze aber den Kanzler im Sinne einer Erneuerung des Landes.

Merkel kritisiert rot-grünen "Zick-Zack-Kurs"

Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) nutzte ihre Antwort in der insgesamt rund zweistündigen Debatte zur Generalabrechnung mit der Regierung. Sie löste aber auch wegen mehrerer Versprecher in den eigenen Reihen zunächst keine spontane Begeisterung aus. SPD und Grüne hätten sich handlungsunfähig gezeigt, sagte Merkel. Die Reformen der Regierung seien ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Das Land vertrage aber keinen «Zickzackkurs», wie Rot-Grün ihn fahre. Nötig sei, dass die Union jetzt «mit klaren Verhältnissen durchregieren» könne. «Wir brauchen einen Neuanfang.»

Nach den Worten von CSU-Chef Edmund Stoiber haben CDU, CSU und FDP jetzt gute Aussichten, die Regierungsverantwortung zu übernehmen. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte: «Deutschland braucht einen neuen Anfang und das geht nur mit einer neuen Regierung.»

Schröder und Müntefering forderte die SPD auf, jetzt aktiv in den Wahlkampf zu gehen. «Ich verspreche Euch, ich komme in jeden Wahlkreis und mache Euch dann auch den Fischer», sagte Schröder mit Blick auf die kämpferische Rede von Fischer im Bundestag. Müntefering warf Merkel soziale Kälte vor. (tso)

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