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Abstimmung: Fall Lea-Sophie: Schweriner entscheiden über OB

Am Sonntag findet das Abwahlverfahren gegen Oberbürgermeister Norbert Claussen statt. Das Jugendamt hat sich nach dem Tod des Mädchens umorganisiert.

Kurz nach dem Hungertod der kleinen Lea-Sophie in Schwerin hat Norbert Claussen einen Satz gesagt, für den er sich später entschuldigte. Die Stadt habe „Pech gehabt“, weil so ein Fall auch anderenorts hätte passieren können. Trotz der Entschuldigung hat das Stadtparlament den CDU-Oberbürgermeister mit Zweidrittelmehrheit zur Disposition gestellt. Am Sonntag muss sich Claussen, der 2002 für acht Jahre direkt gewählt wurde, einem Bürgerentscheid über seine vorzeitige Abwahl stellen.

Die fünfjährige Lea-Sophie war über Wochen verhungert und verdurstet. Die Eltern stehen wegen Mordes vor Gericht. Der Großvater hatte mehrmals beim Jugendamt berichtet, Lea-Sophie sei sprachlich unterentwickelt, zu mager und werde nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gebracht. Weil er ständig an andere Sozialarbeiter geriet, wurden seine Hinweise nicht als Alarmsignal für eine Kindeswohlgefährdung gesehen. Nach einer verwaltungsinternen Prüfung musste Claussen „eklatante Versäumnisse und organisatorische Mängel“ im Jugendamt einräumen. SPD, Bündnisgrüne und die Unabhängigen Bürger werfen Claussen vor, die Aufklärung des Falls zusammen mit dem Sozialdezernenten Hermann Junghans (CDU) verschleppt zu haben.

Die Claussen-Kritiker lasten dem Oberbürgermeister allerdings auch zahlreiche andere städtische Vorhaben an, die aus ihrer Sicht misslungen sind. Außer dem „Pech gehabt“-Satz weiß Claussen allerdings nicht, was er falsch gemacht hat. Er halte den Bürgerentscheid für ein parteipolitisch motiviertes „Politspektakel“, sagte er in einem Interview. Claussen muss auch den Kopf hinhalten, weil die Stadtvertretung es nicht schaffte, den unmittelbar verantwortlichen Sozialdezernenten abzuwählen.

Die Hürden für eine Abwahl sind hoch. Die Claussen-Kritiker sorgen sich vor allem um die Wahlbeteiligung. Mindestens zwei Drittel der Abstimmenden müssen dafür sein und ihre absolute Zahl muss mindestens einem Drittel der Wahlberechtigten entsprechen. Bei einer Wahlbeteiligung unter 33 Prozent ist eine Abberufung also unmöglich. Die regulären Landratswahlen in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Wochen lockten selten mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten an die Urnen. Obwohl Claussen allein deshalb der Abstimmung gelassen entgegenblicken könnte, bekam er mit einem offenen Brief des Gesamtpersonalrates der 900-köpfigen Stadtverwaltung Unterstützung.

Im Schweriner Jugendamt hat sich unterdessen einiges geändert. Es gibt zwei Planstellen mehr und zusätzliche Räume. Die Sozialarbeiter sollen besser fortgebildet werden. Vor allem wurden die Dienstanweisungen geändert. Neuerdings schrillen die Alarmglocken lauter, wenn es Indizien für eine Kindeswohlgefährdung gibt. Andreas Frost

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