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Abstimmung: SPD will Thierse als Parlamentsvize behalten

Wolfgang Thierse hat eine Kampfabstimmung in der Fraktion gewonnen. Am Rande der SPD- Sitzung sorgte die Analyse von Siegmar Gabriel zum Zustand der Partei für Streit.

Wolfgang Thierse wird wieder Bundestagsvizepräsident, Susanne Kastner scheidet hingegen aus dem Amt. Das hat die SPD-Fraktion am Donnerstagnachmittag mit überraschend großer Mehrheit entschieden. Thierse setzte sich an seinem 66. Geburtstag in einer Kampfabstimmung gegen Kastner durch. Auf den Berliner SPD-Politiker entfielen 84, auf die unterfränkische Abgeordnete 44 Stimmen. In der neuen Wahlperiode dürfen die Sozialdemokraten wegen der großen Verluste bei der Bundestagswahl nur noch einen Stellvertreter stellen.

Am Rande der Fraktionssitzung, bei der auch die neun Stellvertreter von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gewählt wurden, sorgte eine schonungslose Analyse des designierten Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel für Diskussionen. Gabriel hatte den Zustand der Partei in einer E-Mail als „katastrophal“ bezeichnet und eine gründliche und ehrliche Bilanz der vergangenen elf Regierungsjahre sowie eine Aufarbeitung des Wahlkampfes gefordert.

In dem Schreiben an einzelne Genossen geht Gabriel auch auf Distanz zur Reformpolitik der Ära Schröder sowie zu den Reformen des einstigen Vizekanzlers und scheidenden Parteivorsitzenden Franz Müntefering. Zwar habe die SPD die ersten Landtagswahlen bereits „deutlich vor der Agenda 2010 krachend verloren“. Aber Themen wie die Rente mit 67 und die Mehrwertsteuererhöhung in der großen Koalition hätten „die Glaubwürdigkeit der SPD tief erschüttert“. Mit Blick auf die Richtungsstreitigkeiten in seiner Partei beklagt Gabriel eine tiefe Spaltung in Flügel. „Wenn wir die SPD nicht endgültig zerstören wollen als Volkspartei, dann muss damit endlich Schluss sein“. Zugleich plädierte er für eine „richtige Strukturreform der SPD“, zu der „ab und an bei wichtigen Entscheidungen eine Urabstimmung der Mitglieder“ gehören könne.

Steinmeier, der sich auch nach der Wahlniederlage zum Reformkurs der Regierungs-SPD bekannt hatte, versuchte am Donnerstag den Eindruck zu zerstreuen, es gebe zwischen ihm und Gabriel Differenzen. Eine Kritik des künftigen Parteichefs an der Rente mit 67 könne er nicht erkennen: „Er hat von der schwierigen Vermittelbarkeit eines solchen Projektes gesprochen.“ Zurückhaltend reagierte auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Gabriels Äußerungen seien nur ein Ausschnitt dessen, was diskutiert werden müsse. „Wir sind in einer sehr ernsten Situation. Ob sie auch katastrophal ist, wäre ein Streit über Worte.“

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