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Politik: Ach, Deutschland!

Von Antje Vollmer

In welchem Land der Welt gibt es das sonst? Da tun sich fast 600 Musiker aller Sparten, Szenen und Generationen zusammen, solidarisieren sich als „Musiker in eigener Sache“ für ein gemeinsames kulturelles Anliegen – und dem ruhmreichen deutschen Feuilleton fällt nichts Besseres ein, als sich mit monotoner Häme über die Künstler herzumachen. „Peinlich“ und „DDRdeutschtümelnd“ sei die Forderung nach einer Quote für Musik, die aus Deutschland kommt.

Offensichtlich war das alles schon klar vor der Anhörung im Bundestag, bei der kaum einer der schreibenden Schreihälse anwesend war – sie hätten ja sonst von einer ungewöhnlich spannenden Begegnung der dritten Art zwischen Kunst und Politik berichten müssen. „Rentnerband“ titelte die Berliner Zeitung mit Pennälerhumor, nicht ohne den Lesern die Bilder der Jungen – Xavier Naidoo, Max Herre oder Joy Denalane – vorzuenthalten. Dass die bekannten großen Namen ausdrücklich die kommenden Musikergenerationen unterstützen wollten, durfte auch niemand erfahren. Die Kapitäne im Planschbecken ihrer Redaktionen, die von anderen so gern politisches Engagement verlangen, suchten verzweifelt nach unlauteren Motiven der Befürworter. Bei der Forderung nach einer Quote für Musik aus Deutschland geht es aber ausnahmsweise mal nicht um Karriere und Kommerz, sondern um das Verhältnis dieses Landes zu seinen Künstlern und Stars. Die Musiker wünschen sich mehr Chancengleichheit und Respekt, mehr „Fairplay im Airplay“. Diese Forderung hat aber auch gar nichts mit Subventionen oder Zensur zu tun, sondern mit den Bedingungen einer eigenen Sprache in einem globalisierten Musikmarkt. Ein Thema, das übrigens weltweit in allen selbstbewussten Kulturnationen diskutiert wird, von denen viele die Quote schon längst kennen.

Die Ignoranz und den Mangel an Respekt, die Xavier Naidoo anprangerte, entblößte sich aufs Unerträglichste im „Tagesthemen“-Kommentar von Thomas Roth: Wie ein Weißer Ritter im Stakkato des legendären Schwarzen Kanals wippte Roth auf und ab: „Nein Leute, so schon mal gar nicht!“ – „Ich“ mag Heino nicht! „Ich“ mag die Fanta 4 auch ohne Quote! „Ich“ will eine Quote für Rolling Stones und Mozart! Mal ganz abgesehen davon, dass niemand ein Mehr des bei der ARD ach! so beliebten Musikantenstadls verlangt hat – kann sich jemand wie Roth eigentlich vorstellen, dass sein eitles „Ich“ gegen das beeindruckende Millionenpublikum von mehreren hundert Musikern womöglich nicht ganz so wichtig ist, wie er glaubt? Gänzlich verblüffend war seine Rüge, heutzutage gehe es doch um „Eigeninitiative, Fantasie und Kreativität“. Ein durchaus erfolgsbegrenzter Fernsehmoderator in einem durchaus auf öffentliche Solidarität angewiesenen Sender maßt sich an, 600 engagierte Künstler über Fantasie und Kreativität zu belehren?!

Ach, Deutschland, du und deine Künstler – es ist das alte Lied und damit auch ein Beitrag zum Tag der unvollendeten deutschen Einheit.

Die Autorin ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und Mitglied der Grünen. Sie schreibt diese Kolumne im Wechsel mit Wolfgang Schäuble und

Richard Schröder.

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