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Politik: Achtung!!! Nichts!!!

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Wenn man diese unsere Zeit dereinst auf den Begriff bringen will, das wird schwierig. Nicht, dass es mit früheren Zeiten einfach wäre.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Wenn man diese unsere Zeit dereinst auf den Begriff bringen will, das wird schwierig. Nicht, dass es mit früheren Zeiten einfach wäre. Aber die Geschichtswissenschaft hat treffende, oft gar poetische Formulierungen gefunden: Die klassische Antike, das Alte Rom, das Zeitalter der Renaissance, der Herbst des Mittelalters, die Epoche der Aufklärung. Diese unsere Zeit wird prosaischer in Erinnerung bleiben. Darum schlagen wir als Arbeitstitel hiermit „Die Ära des Ausrufezeichens“ vor. Dieses Satzzeichen dient, so der Duden, dem Zweck der Hervorhebung. Lange Zeit aber brauchte kaum einer den langen Strich mit kurzem Punkt. Martin Luther zum Beispiel kam in seinen 95 Thesen noch mit deren zweien aus, und die in wörtlichen Zitaten. Im Zeitalter der Romantik hat das literarische Seufzen dann einen gewissen Bedarf geweckt, wegen der vielen „Ach!“ und „Weh mir!“ unglücklich verliebter Helden. Danach war eine Zeit lang Ruhe. Dann geriet unser Zeichen in die Politik. „Arbeiter! Genossen!“ plakatierte die Sozialdemokratie, „Bürger!“ die Fortschrittliche Volkspartei. Das ist aber gar nichts gegen die Karriere, die unser Zeichen bei der FDP gemacht hat. „Achtung!!!“ brüllt uns ein Fax entgegen. Drei Rufzeichen! Unterstrichen!! Es folgt das Rezept zur Rettung der Republik? Es folgt die Mitteilung, dass der FDP-Bundesvorsitzende Dr. Guido Westerwelle auf einem Landesparteitag einen Redeauftritt abzuhalten gedenkt. Drei !!! – das kennt man vorher nur von Friedrich Nietzsche. Der hat 1864, in Rolandseck am Rhein, notiert: „Die Gegend ist dort wirklich drei Ausrufezeichen werth.“ Später hat er sich als Philosoph dem Nichts gewidmet. Wahrscheinlich gibt es einen Zusammenhang.

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