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Truppenbesuch: Nach den Anschlägen auf dem Sinai informiert sich Ägyptens Präsident al Sisi (r.) über die Ausrüstung seiner Soldaten.

© Reuters

Ägypten: Kairo droht ausländischen Medien

Ägypten will nach den jüngsten Anschlägen seine Anti-Terror-Gesetze drastisch verschärfen: Wer künftig offiziellen Angaben widerspricht, kann im Gefängnis landen.

Nach dem Mord an Generalstaatsanwalt Hisham Barakat und dem spektakulären Großanschlag des "Islamischen Staates" auf dem Sinai will Ägyptens Führung die Anti-Terror-Gesetze erheblich verschärfen und droht nun erstmals auch ausländischen Korrespondenten mit Gefängnisstrafen. Journalisten müssen mit mindestens zwei Jahren hinter Gittern rechnen, wenn sie "falsche Informationen über Terroranschläge" veröffentlichen, "die offiziellen Angaben widersprechen", heißt es in dem Text. Alternativ soll es auch möglich sein, Korrespondenten unter Hausarrest zu stellen oder abzuschieben.

Justizminister Ahmed al Zind erklärte zur Begründung, die Bestimmung sei eine Reaktion auf die Berichterstattung über die jüngste Anschlagsserie auf dem Sinai. Ausländische Medien hatten geschrieben, es seien zwischen 50 und 70 Soldaten getötet worden, eine Zahl, die auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte.

"Neue Regeln"

Die Journalisten beriefen sich dabei auf örtliche Sicherheitskreise und Krankenhäuser. Das Militär erklärte dagegen, es seien 17 Soldaten und gut 100 Dschihadisten getötet worden. Berichte mit derart falschen Opferzahlen seien "schlecht für die Moral" des Landes, erklärte Justizminister Zind. Die Regierung habe daher keine andere Wahl, als "neue Regeln" einzuführen. Es handele sich nicht um eine Einschränkung der Pressefreiheit. "Es geht nur um Zahlen", fügte Zind hinzu. Der Nordsinai ist seit zwei Jahren für Journalisten absolut gesperrt. Auch sagte die Armeeführung, anders als bei früheren Kommandoaktionen der Extremisten, diesmal einen zentralen Staatsakt für alle gefallenen Soldaten ab.

Darüber hinaus forderte das ägyptische Außenministerium am Wochenende alle internationalen Korrespondenten auf, bei Terrorattentaten keinen Zusammenhang mehr zu dem Islam herzustellen, also nicht mehr von Dschihadisten oder islamistischen Gewalttätern zu schreiben, sondern von Mördern, Barbaren und Fanatikern. Mitte Juni musste der spanische Korrespondent der spanischen Zeitung "El Pais" Hals über Kopf das Land am Nil verlassen, weil seine Botschaft den Hinweis bekommen hatte, seine Verhaftung stehe unmittelbar bevor – eine Darstellung, die der Sprecher des ägyptischen Außenministeriums bestritt.

Dafür gebe es keinerlei Beweise, das Ganze diene nur dazu, das Ansehen der ägyptischen Regierung zu beschädigen, erklärte Badr Abdelatty, der demnächst als neuer ägyptischer Botschafter nach Berlin wechselt. Laut dem "Komitee zum Schutz von Journalisten" sitzen in Ägypten momentan 18 Medienleute im Gefängnis, das Arabische Netzwerk für Menschenrechte spricht sogar von 60. Allein vergangene Woche wurden vier weitere Reporter verhaftet.

Mahnschreiben an die Redaktionen

Parallel zu dem geplanten Gesetz etabliert der Staatliche Informationsdienst (SIS) in Kairo offenbar ein Büro mit regimetreuen Schnüfflern, wie die InternetPlattform "Middle East Eye" berichtet. Diese sollen ausländische Medien überwachen und ihnen Mahnschreiben schicken mit der Aufforderung, die angeblich falschen Angaben in einer Gegendarstellung zu korrigieren. Bisher habe das sogenannte FactCheckEgypt-Team nur E-Mails an ausländische Medien geschickt, erklärte SIS-Chef Salah al Sadek. Man wolle künftig aber auch ägyptischen Medien auf die Finger schauen. Auf die Frage, was passiere, wenn eine Zeitung die geforderte Gegendarstellung verweigere, sagte al Sadek, dann werde man "auf eine andere Ebene" wechseln.

Abgesehen von der Haftandrohung für Journalisten soll das neue Anti-Terror-Gesetz auch die Befugnisse von Justiz und Polizei erheblich ausweiten. Die Regierung will spezielle Anti-Terror-Gerichtshöfe schaffen, um Strafprozesse zu beschleunigen. Die Definition von Terrortaten als Verstöße gegen "die öffentliche Ordnung", "den sozialen Frieden" und "die nationale Einheit" ist so nebulös gehalten, dass darunter künftig auch Aktivitäten von Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, Verlagen und Webseiten fallen könnten.

Das Kabinett hat den Entwurf vergangene Woche bereits gebilligt. Auf der Beerdigung des ermordeten Chefanklägers kündigte Präsident Abdel Fattah al Sisi an, er werde das Gesetz in den nächsten Tagen per Dekret in Kraft setzen. Denn ein Parlament muss er dazu nicht befragen. Das existiert in Ägypten seit drei Jahren nicht mehr.

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