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Politik: Ägypten macht Druck auf die Hamas Kairo droht Islamisten

in Gaza mit Militäraktion.

Tel Aviv - Seit der Machtübernahme durch das ägyptische Militär in Kairo steckt die Hamas im Gazastreifen in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Sie wird von Israel und Ägypten bekämpft. Verzweifelt sucht sie nach neuen Verbündeten und nach Wegen, sich politisch und finanziell über Wasser zu halten. Die ersten Leidtragenden sind dabei die Bewohner des belagerten Landstrichs.

Die Bewohner Gazas sind militärische Drohgebärden gewöhnt. Schließlich ist der Küstenstreifen von drei Seiten von israelischen Truppen umgeben, und im Himmel kreisen seit Jahren israelische Drohnen als Erinnerung daran, dass der mächtige Nachbar sofort Vergeltung übt, wenn Terroristen Raketen auf seine Städte feuern. Doch die neueste Gefahr kommt nicht aus Israel, sondern ausgerechnet aus Ägypten, der ehemaligen Schutzmacht. Ägyptens Außenminister Nabil Fahmi warnte vor einer „harten Reaktion“, man erwäge „militärische Optionen“ gegen den Gazastreifen, falls die radikal-islamische Hamas, die den Landstrich seit einem Putsch 2007 beherrscht, weiterhin „Ägyptens nationale Sicherheit“ gefährde, so Fahmi. Zeitungen berichten von Aufklärungsflügen ägyptischer Kampfflugzeuge über Gaza. „Die Bewohner Gazas sind sehr besorgt“, sagt eine palästinensische Journalistin .

Für die Hamas sind die Spannungen mit Ägypten eine Kehrtwende. Noch vor wenigen Monaten hofften die Islamisten, mithilfe des Nachbarn aus ihrer Isolation ausbrechen zu können. Nachdem das Hamas-Hauptquartier in Damaskus wegen des Bürgerkriegs in Syrien geschlossen worden war und der Iran die Beziehungen zur Hamas einfror, sollte in Kairo ein neues Hauptquartier eröffnet werden. Schließlich herrschten dort die Muslimbrüder, und Präsident Muhammad Mursi sympathisierte offen mit dem bewaffneten Widerstand gegen Israel. Doch der Sturz Mursis stürzte auch die Hamas in eine tiefe Krise.

Kaum ein politischer Akteur wird von Kairos neuem Regime mehr verunglimpft als die Islamisten, die als Verbündete der verhassten Muslimbrüder gelten. Die offizielle Presse macht die Hamas für viele Missstände in Ägypten verantwortlich: Der Schmuggel von subventioniertem Treibstoff nach Gaza soll den Benzinmangel an den Tankstellen verursachen, Hamas-Aktivisten für das Sicherheitschaos in den Straßen verantwortlich sein. Sie sollen im September am versuchten Attentat auf den Innenminister teilgenommen haben und für die bürgerkriegsähnlichen Zustände auf der Halbinsel Sinai verantwortlich sein. Dort kommt es inzwischen täglich zu tödlichen Gefechten zwischen der Armee und radikalen Islamisten, die – so behauptet Kairo – in Gaza Rückendeckungerhalten. Eine Anschuldigung, die die Hamas dementiert.

Doch Kairo will die Anarchie im Sinai beenden, und die Hamas zahlt dafür den Preis. Einst versorgte sich Gaza, das seit dem Putsch der Islamisten von Israel belagert wird, mithilfe hunderter Schmugglertunnel mit Gütern und Waffen aus dem Sinai. Das ist nun vorbei: „Seit Jahresbeginn haben wir 794 Tunnel zum Gazastreifen demoliert”, berichtete der Kommandant des ägyptischen Grenzschutzes. Laut UN-Schätzungen gab es im Juni noch 300 Tunnel, jetzt sind weniger als zehn Tunnel unter Rafah intakt. Zudem schafft die Armee nun eine breite Pufferzone entlang der Grenze, um die Errichtung neuer Tunnel zu erschweren. Viele Familien in Rafah sollen bereits zwangsumgesiedelt worden sein. Dutzende Häuser entlang der Grenze, in deren Keller die Tunnel mündeten, wurden planiert oder gesprengt. „Kein Tunnel funktioniert im Augenblick, so etwas gab es noch nie“, sagte der sichtlich beunruhigte Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri.

Ägyptens Aktion hat schwere Folgen für Gazas Bevölkerung, denn die meisten Güter auf den Märkten stammen aus Ägypten. Statt täglich 7500 Tonnen Baumaterialen kommen aus Ägypten nur noch rund 100 Tonnen in den Landstrich – dabei war der Bauboom in Gaza Hauptursache für das Wirtschaftswachstum.

Schon vorher lebten 60 Prozent der Bevölkerung von weniger als zwei US-Dollar am Tag, nun liegen zwei Drittel der Baustellen brach, 30 000 Bauarbeiter könnten bald arbeitslos sein. Auch aus Israel kommt kaum noch Baumaterial, seitdem in der Nähe des Kibbutz Ein Hashlosha ein Tunnel entdeckt wurde. Die Hamas gab zu, den 1,7 Kilometer langen Stollen in 20 Metern Tiefe gebaut zu haben. Dabei verwandte sie 24 000 Betonplatten, die Israel für den Bau ziviler Projekte in den Gazastreifen gelassen hatte. Fortan will die Armee keine Betonplatten mehr nach Gaza lassen, um den Bau weiterer Tunnel zu verhindern. Gil Yaron

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