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Spuren. Ein Zeitungsleser vor einem Bus-Wrack auf dem Tahrir-Platz.

© Khaled Elfiqi/dpa

Ägypten: Mubarak muss sich verantworten

In Kairo zwingt der Druck der Demokratie-Aktivisten die regierenden Militärs zu Kursänderungen. Hosni Mubarak selbst soll wegen möglicher Veruntreuung befragt werden.

Berlin- Eigentlich braucht man keine Revolution des Volkes, um das Militär an die Macht zu bringen. Doch genau das ist in Ägypten geschehen: Der friedliche Massenprotest hat Präsident Hosni Mubarak aus dem Amt gedrängt. Dafür hat provisorisch ein Hoher Militärrat die Macht übernommen. Geleitet wird er von einem engen Vertrauten und Weggefährten Mubaraks, Hussein Tantawi. Zwar war die positive Beziehung zwischen Demonstranten und Armee der Schlüssel für den Erfolg der Revolution. Doch von Anfang an haben die Demokratie-Aktivisten und Oppositionsgruppen den Militärrat kritisch beäugt, weil er ihnen nicht als das geeignete Gremium erscheint, den Übergang zu einer Demokratie zu organisieren. Neue Massenproteste zwingen die Militärs immer wieder dazu, ihre Politik zu korrigieren. So mussten sie den noch von Mubarak ausgewählten Premier absetzen und durch den glaubwürdigen Essam Scharaf ersetzten. Dann kam eine Schonzeit bis zum Referendum über Verfassungsänderungen am 19. März. Doch sechs Wochen nach dem Sturz Mubaraks treten die Konflikte immer deutlicher zutage und die Kritik richtet sich neuerdings ausdrücklich auch gegen den Militärrat und die Person Tantawis.

Denn die Koalition der Jugendrevolution, in der sich die Anhänger der Kifaya-Bewegung, die Oppositionspartei al Ghad und die Anhänger der Partei von Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei zusammengeschlossen haben, wollen Taten sehen. Ihr Unmut richtet sich insbesondere dagegen, dass viele Vertreter des alten Regimes ihre Posten behalten haben und kaum juristisch gegen Politiker der Ex-Regierungspartei vorgegangen wird, die sie für mitverantwortlich für die Todesschüsse auf Demonstranten halten. Und sie fordern endlich ernsthafte Ermittlungen gegen Mubarak und seine Familie. Die Koalition hatten dem Militärrat ein Ultimatum bis zum 8. April gestellt, um ihre etwa 25 Forderungen zu erfüllen.

Zwar wurde vergangene Woche ein Großteil der Chefredakteure der großen nationalen Zeitungen ausgetauscht, die Propaganda für das Regime gemacht hatten. Die Termine für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wurden auf Wunsch der Opposition um Monate auf September und November verschoben. Doch das reichte nicht und so versammelten sich am vergangenen Freitag Zehntausende auf dem Tahrir-Platz, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Mit Erfolg: Am Sonntag wurde bekannt, dass nicht nur Mubaraks Sohn Gamal wegen möglicher Veruntreuung befragt werden soll, sondern auch Mubarak selbst. Dabei geht es konkret um die Frage, ob der Mubarak-Clan staatliche Gelder verwandt hat, um Schlägertrupps und Kameltreiber auf die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz zu hetzen. Insgesamt waren etwa 800 Menschen bei den wochenlangen Demonstrationen getötet worden. Böse Zungen könnten behaupten, die Ermittlungen würden nur aufgenommen, weil Mubarak selbst in einer Audiobotschaft am Sonntag dazu sein Einverständnis gegeben hatte. Eingefroren wurden auch die Vermögen der engsten Helfer Mubaraks, und der Leiter des Präsidentenbüros Zakaria Azmi, der kurioserweise auch nach Mubaraks Sturz im Amt blieb, musste bereits vor dem Generalstaatsanwalt erscheinen. Damit könnten die Spannungen vorübergehend abflauen, denn die Ermittlungen gegen diese Pfeiler des Regimes und die Präsidentenfamilie waren zentrale Forderungen der Demonstranten, die von den meisten Ägyptern geteilt werden.

Doch eine rote Linie gibt es für das Militär noch immer: die Rolle des Militärs selbst. So kam es zu den nächtlichen Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-Platz am vergangenen Freitag, weil Soldaten in Uniform mit gegen den Militärrat demonstrierten. Als die Armee diese Soldaten festnehmen wollte, soll es zu den Gewalttätigkeiten gekommen sein, bei denen ein Mensch getötet wurde.

Am Montag wurde bekannt, dass der Blogger Maikel Nabil zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, weil er im Internet Kampagnen zur Abschaffung der Wehrpflicht führte und die Armee kritisierte. Das teilte Nabils Anwalt mit. Dieses erste Urteil gegen einen Blogger in der Post-Mubarak-Ära zeigt das ganze Dilemma: Die auf Gehorsam und Befehlsausführung trainierten Militärs sind nicht in der Lage, demokratische Prinzipien vorzuleben und Politik zu machen.

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