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Ägyptens Präsident Mohammed Mursi.

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Update

Ägypten: Mursi will mit Richtern über seine Machtausweitung sprechen

Wenige Tage nach der umstrittenen Ausweitung seiner Machtbefugnisse signalisiert Ägyptens Präsident Mursi Gesprächsbereitschaft mit dem Obersten Richterrat. Bei einem Angriff auf das Hauptquartier der Muslimbrüder gab es am Sonntagabend den ersten Toten.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi will am heutigen Montag mit dem Obersten Richterrat des Landes zusammenkommen, um über seine Dekrete zur Ausweitung seiner Machtbefugnisse zu sprechen. Dabei wollen die Richter Mursi überreden, die Unantastbarkeit folgenschwerer Entscheidungen wie Kriegserklärungen und eine Verhängung des Kriegsrechts einzuschränken. Sie hatten seine Dekrete als „beispiellosen Angriff“ auf die Justiz verurteilt.

Die Konfrontation zwischen Islamisten und säkulären Kräften zieht immer weitere Kreise. Drei Tage nach Mursis Dekreten, mit denen er die Gewaltenteilung bis zum Inkrafttreten einer neuen Verfassung faktisch aufhob, forderte der Richterclub alle Gerichte Ägyptens zum Generalstreik auf. Nach den Richtern riefen auch die Journalisten zu einem Generalstreik auf.

Die Muslimbruderschaft dagegen mobilisierte ihre Anhänger am Sonntag landesweit zu Kundgebungen, an denen sich auch Anhänger der radikal-islamischen Salafisten-Bewegung beteiligten. Gleichzeitig brachen an der Kairoer Börse die Kurse um fast zehn Prozent ein.

Proteste in Kairo.
Proteste in Kairo.

© Reuters

Erstmals seit Beginn der Proteste kam ein Mensch bei Straßenschlachten ums Leben. Der Zwischenfall ereignete sich Behördenangaben zufolge am Sonntagabend in der nördlichen Stadt Damanhoor, wo sich Demonstranten Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. Das Todesopfer sei 15 Jahre alt. Aus Sicherheitskreisen verlautete, Demonstranten hätten ein Gebäude der islamistischen Muslimbruderschaft angegriffen.

Friedensnobelpreisträger Mohammed al Baradei erklärte, die Gewalt dehne sich immer weiter aus, und „die staatliche Autorität wird immer mehr ausgehöhlt“. Er äußerte die Befürchtung, das Militär könne intervenieren, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Er hoffe, das Land werde nicht in einem Kreislauf der Gewalt versinken. Dazu aber müsse Präsident Mursi seine neuen Sondervollmachten zurücknehmen.

Auf dem Tahrir-Platz gingen derweil die seit Tagen anhaltenden Auseinandersetzungen weiter, bei denen bisher mehr als 500 Menschen verletzt wurden. Mursis umstrittene Dekrete zielen vor allem auf das Verfassungsgericht, das überwiegend mit alten Mubarak-Leuten besetzt ist. Schon im Juni bei der Auflösung des Parlaments kursierte das Urteil bereits Tage vorher auf Dinnerpartys der alten Mubarak-Elite. Das provozierte die Muslimbrüder, zumal das Verfassungsgericht auch in den vorangegangenen Jahrzehnten das Wahlrecht mehrfach beanstandet hatte.

Niemals aber hatte das Gericht zuvor angeordnet, die Volksvertretung dann innerhalb von 24 Stunden aufzulösen und das Gebäude zu verriegeln. Ein ähnliches Vorgehen seitens der Verfassungsrichter zeichnete sich offenbar nun auch im Blick auf die Verfassungsgebende Versammlung ab, wo die Islamisten ebenfalls über eine Zweidrittelmehrheit verfügen. Obwohl die Verhandlung über die Rechtmäßigkeit des 100-köpfigen Plenums erst für kommenden Sonntag terminiert war, kursierte bereits vergangene Woche das Gerücht, das Urteil sei fertig, die verfassungsgebende Versammlung werde annulliert.

Justizminister Ahmed Mekki erklärte, er teile zwar die Bedenken seiner Juristenkollegen gegen die Dekrete, aber er vertraue Mursi. Der Präsident will nach eigenem Bekunden lediglich die verfassungsgebende Versammlung vor einer Annullierung schützen und ihr zwei Monate mehr Zeit einräumen, um noch bestehende Konfliktpunkte im Verfassungsentwurf zu klären.

In den vergangenen beiden Wochen jedoch hatten sämtliche Vertreter säkularer Parteien, Gewerkschaften und Kirchen ihre Mandate niedergelegt, um gegen die in ihren Augen geplante Islamisierung der Verfassung zu protestieren. (dapd/dpa)

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