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AfD-Chef Bernd Lucke.

© AFP

AfD und CDU: Die Union ist ziemlich ratlos

Bei der Europawahl hat die Alternative für Deutschland (AfD) gezeigt, dass sie ernst genommen werden muss. Doch CDU und CSU wissen nicht, wie sie mit dem Konkurrenten umgehen soll.

Von Robert Birnbaum

Stanislaw Tillich ist ein nüchterner Mann, aber an diesem Montag hat der sächsische Ministerpräsident in Form und Inhalt einen Schwur geleistet: Nie, niemals, unter keinen Umständen werde die Sachsen-CDU nach der Landtagswahl im Herbst mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) koalieren. Die Zusicherung fand Beifall bei Parteichefin Angela Merkel und den übrigen Mitgliedern des CDU-Präsidiums. Aber viel weiter sind die Christdemokraten noch nicht, was den Umgang mit der neuen Konkurrenz angeht. „Dafür, dass das Thema AfD absehbar war, sind alle ziemlich ratlos“, ärgert sich ein Vorständler.

Oder sagen wir: Fast alle. Christean Wagner zum Beispiel hat einen Rat für die eigene Partei. Wagner war CDU- Fraktionschef in Hessen, wo die AfD gerade in den bürgerlich-betuchten Gegenden um Frankfurt starken Zulauf verzeichnet hat. Er war auch Mitbegründer des CDU- Konservativen-Klübchens „Berliner Kreis“. Jetzt sagt er, dass er lieber die FDP als Partner hätte – bloß, wenn der die Leute davonliefen? „Die AfD ist mir als politischer Konkurrent nicht willkommen, aber ich halte es für politisch töricht zu sagen, mit denen werden wir nie zusammengehen“, gibt Wagner bei „Spiegel Online“ zu Protokoll.

Ob die FDP den Ernst der Lage begriffen hat, ist unklar

Das ist zwar eine Außenseiterposition, die selbst andere Berlin-Kreisler nicht teilen. „In der jetzigen Situation kann ich mir die als Koalitionspartner nicht vorstellen“, sagt etwa der Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Aber mit der Sorge, dass die Truppe des Professor Bernd Lucke den Freien Demokraten dauerhaft das Wasser abgraben könnte, steht Wagner nicht allein.

Die FDP habe immer davon gelebt, dass sie bürgerliche Protestwähler, Nationalkonservative und Funktionswähler an sich gezogen habe, sagt eine erfahrene CDU-Politikerin. Der Protest hat jetzt ein Alternative, an Funktionswähler ist bei Drei-Prozent-Ergebnissen nicht zu denken. Selbst im Konrad-Adenauer-Haus machen sie sich Sorgen, ob die Freidemokraten den Ernst ihrer Lage begriffen haben: „Wenn die sagen, sie werden 2017 wieder da sein, dann ist das zu spät“, sagt einer aus der CDU-Zentrale. Spätestens bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg müsse die FDP zurück sein.

In der AfD versammeln sich viele unterschiedliche Positionen

Bis dahin müsste dann aber die AfD so weit zurückgedrängt sein, dass für die Freidemokraten wieder Platz bleibt. Wie das passieren soll, weiß im Moment niemand. Das CSU-Rezept, alternativdeutscher zu sein als die AfD, war erkennbar falsch. In München trösten sie sich zwar damit, dass Merkels Ignorier-Methode ja auch nicht durchweg besser geklappt habe. Aber das ist für eine Partei mit historisch eingebautem Besserwisser-Komplex fast schon so etwas wie ein Schuldeingeständnis. Welches Rezept richtiger wäre, ist allerdings bisher auch keinem eingefallen. Das liegt nicht zuletzt an der AfD selbst: Das Nein zur Euro-Rettung halte die Partei zusammen, sagt Bosbach, aber dahinter versammele sich von Linkspopulisten über Bürgerliche bis zu Rechtspopulisten ein weites Feld unterschiedlicher Positionen. „Deswegen sind sie auch so schwer zu stellen.“ Trotzdem, findet der Nordrhein-Westfale, könne die CDU nicht weiter bloß so tun, als gäbe es die Lucke-Truppe nicht.

Für den Sachsen Tillich wird die Frage schon in wenigen Monaten konkret, ebenso für die Thüringer Kollegin Christine Lieberknecht. Dabei habe Tillich es leicht, der AfD abzuschwören, sagt ein Parteifreund aus dem Westen: „Der kommt auch mit Schwarz-Grün gut über die Runden.“ Aber wie lange in Thüringen der Abwehrwall halte, wenn dort Rot-Rot- Grün drohe?

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