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Der griechische Journalist Kostas Vaxevanis hatte in dem Magazin „Hot Doc“ die Namen mutmaßlicher griechischer Kontoinhaber in der Schweiz publiziert.

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Affäre um Steuer-CD: Griechische Polizei nimmt Journalisten fest

Ein Magazin macht Namen von griechischen Kunden einer Schweizer Bank öffentlich - jetzt gehen Polizei und Staatsanwalt gegen den verantwortlichen Journalisten vor. Eine CD mit diesen Daten hatte Griechenlands Finanzminister 2010 von seiner damaligen französischen Amtskollegin Christine Lagarde bekommen - später ging die CD im Ministerium "verloren".

Um 10 Uhr lief die Meldung über Twitter: „Sie kommen jetzt ins Haus, ein Staatsanwalt ist dabei. Sie verhaften mich. Weitergeben!“ So alarmierte am Sonntag der griechische Journalist Kostas Vaxevanis Freunde und Kollegen. Nachdem die Fahnder Vaxevanis zunächst in seiner Wohnung gesucht, dort aber nicht angetroffen hatten, spürten sie ihn am Sonntagvormittag im Haus eines Freundes im Athener Vorort Drossia auf und brachten ihn ins Polizeipräsidium. Die Staatsanwaltschaft hatte die Festnahme des Journalisten angeordnet. Der Grund: Vaxevanis hatte in dem Magazin „Hot Doc“ die Namen mutmaßlicher griechischer Kontoinhaber in der Schweiz publiziert. Die Staatsanwaltschaft sieht darin einen Verstoß gegen den Datenschutz. Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen würden durch die Veröffentlichung verletzt, argumentieren die Ankläger.

Die Festnahme des Journalisten ist der nächste Akt in einem Stück, bei dem man nicht so genau weiß, ob es sich um ein Drama, eine Komödie oder eine Seifenoper handelt. Ein Verwirrspiel ist es in jedem Fall. Die Namen, die Vaxevanis publizierte, sollen von der berüchtigten „Lagarde-Liste“ stammen. Im Herbst 2010 hatte die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde ihrem griechischen Kollegen Giorgos Papakonstantinou eine CD ausgehändigt. Auf ihr befanden sich die Namen von 2059 Griechinnen und Griechen, die Konten bei der Genfer Niederlassung der Großbank HSBC unterhielten. Das Material stammte aus einem Datenfundus, den das französische Finanzministerium im Jahr zuvor von einem HSBC-Mitarbeiter gekauft hatte.

Die Kontodaten müssten den griechischen Steuerfahndern eigentlich hoch willkommen gewesen sein. Schließlich gilt die Steuerflucht als eine der Ursachen der Schuldenkrise des Landes. Einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag sollen wohlhabende Griechen in der Schweiz gebunkert haben – mutmaßlich auch Schwarzgeld. Umso erstaunlicher ist, was mit der Lagarde-Liste passierte. Die Spur der Steuer-CD verliert sich im Büro von Finanzminister Papakonstantinou. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, wem er die Daten zur Archivierung übergeben habe, erklärte Papakonstantinou jetzt vor einem Untersuchungsausschuss.

Christine Lagarde gab die Liste 2010 Athens Finanzminister Papakonstantinou. Foto: rtr
Christine Lagarde gab die Liste 2010 Athens Finanzminister Papakonstantinou. Foto: rtr

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Zwei Jahre lang schien sich niemand für die Liste zu interessieren. Als Finanzminister Giannis Stournaras im vergangenen Monat von der Existenz der mysteriösen Lagarde-Liste in der Zeitung las und nach den Daten forschen ließ, waren sie zunächst unauffindbar. Wie konnte der Datenträger einfach so verschwinden? Schlamperei? Oder Absicht? Weil die Daten vielleicht zu brisant waren und womöglich auch Politiker auf der Liste standen? Während die Öffentlichkeit noch darüber rätselte, tauchten die Daten plötzlich wieder auf: Am Morgen des 9. Oktober brachte ein Bote einen Briefumschlag zum Amtssitz des Ministerpräsidenten Antonis Samaras. In dem Umschlag befand sich ein USB-Stick mit den Steuerdaten. Absender des Umschlags war Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos, der im Sommer 2011 Papakonstantinou ablöste. Er habe damals eine private Kopie der Steuer-CD angefertigt, erklärte Venizelos. Über den Verbleib des Originals weiß auch er nichts.

Jetzt beschäftigen sich Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung mit dem Material. Aber wie authentisch ist es? Gab es Manipulationen? Wurden womöglich Namen entfernt oder andere hinzugefügt? Und wie kam der Journalist Vaxevanis an die Liste? Überdies: Ein Konto in der Schweiz zu unterhalten ist weder verboten noch anrüchig – so lange die dort deponierten Gelder ehrlich verdient und ordentlich versteuert wurden. Vaxevanis muss sich jetzt nicht nur auf ein Strafverfahren einstellen, sondern möglicherweise auch auf Klagen von Kontoinhabern, die sich zu Unrecht an den Pranger gestellt sehen.

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