zum Hauptinhalt

Politik: Affären und Affärchen

Der Fall Barschel wirft bis heute seine Schatten – erst jetzt scheint sich die CDU im Norden davon erholt zu haben

Berlin - Ein bisschen Skandal hat es auch in der abgelaufenen Wahlperiode in Schleswig-Holstein gegeben, es ging um Filz in der Landesregierung mit nicht genehmigten Nebentätigkeiten und einem Computer-Großauftrag für einen ExStaatssekretär. Über zwei Jahre, bis vorigen November, zog sich der parlamentarische Untersuchungsausschuss hin. Das Ziel, Ministerpräsidentin Heide Simonis zu stürzen, erreichte die Opposition freilich nicht. Und die Aufregung blieb auf das Land beschränkt. Ganz anders als im Jahr 1987, als ein Skandal die Republik erschütterte, der bis heute nachwirkt: die Affäre um den damaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) und seinen Medienreferenten Reiner Pfeiffer. Es war der Beginn des Niedergangs der CDU in Schleswig-Holstein, wo sie zuvor drei Jahrzehnte unangefochten regiert hatte.

Am 12. September 1987, dem Tag vor der Landtagswahl, meldete der „Spiegel“, unter Barschel habe es Machenschaften gegen den SPD-Oppositionschef gegeben, um diesen zu diskreditieren. Barschels Widersacher hieß Björn Engholm. Er hatte die SPD in die Nähe der Regierungsfähigkeit gebracht. Barschel fürchtete, die Vorherrschaft der CDU – die er 1983 noch mit 49 Prozent klar verteidigt hatte – könnte ein Ende haben. Pfeiffer, ein ehemaliger Boulevardjournalist, inszenierte Intrigen gegen Engholm. Dieser sollte diskreditiert werden. Detektive sollten ausloten, ob das Sexualleben des Oppositionschefs dafür etwas hergab. Eine anonyme Steueranzeige wurde lanciert. Wie sich später herausstellte, war Pfeiffer es auch selbst, der all dies der SPD noch vor dem Wahltag ausplauderte.

Barschel versuchte nach der Wahl, sich in einer Pressekonferenz zu entlasten, in der er mit Ehrenwort versicherte, keine Steueranzeige gegen Engholm lanciert zu haben. Davor zwang er Mitarbeiter zu falschen eidesstattlichen Erklärungen. Am 2. Oktober trat er als Ministerpräsident zurück, am 11. Oktober fand ihn ein „Stern“-Reporter tot in einer Badewanne des Genfer Hotels „Beau Rivage“. Die Todesumstände – Selbstmord oder Mord – sind bis heute nicht geklärt. Ein Untersuchungsausschuss in Kiel kam im Januar 1988 zu dem Ergebnis, dass Barschel hinter den Machenschaften gegen Engholm steckte.

Fünf Jahre danach trat auch Engholm zurück. Die Kieler Affäre war mit dem Tod Barschels nicht zu Ende. Es stellte sich heraus, dass Pfeiffer nach der Affäre Geld von der SPD bekommen hatte. Engholm musste zugeben, früher von Pfeiffers Machenschaften gewusst zu haben, als er im ersten Untersuchungsausschuss angegeben hatte. Seine Nachfolgerin wurde Heide Simonis. Unter ihrer Führung rutschte die SPD 1996 auf knapp unter 40 Prozent. Der CDU nutzte das freilich nichts, ihr Ruf war noch nicht wiederhergestellt. Sie kam auf gut 37 Prozent. Und die SPD konnte sich in den folgenden Jahren unter Simonis’ Führung festigen.

Zur Wahl im Jahr 2000 trat für die CDU der frühere Bundesverteidigungsminister Volker Rühe an, als Hamburger ein von landesparteilichen Belastungen freier Spitzenkandidat. Eine spannende Auseinandersetzung bahnte sich an. Dann kam die nächste Affäre: die Parteispendengeschichte der CDU. Rühe war chancenlos, die CDU fiel auf 35 Prozent, die SPD siegte mit 43 Prozent und konnte mit den Grünen regieren.

Nun hat die CDU es mit einem Kandidaten aus dem Land, wenn auch wieder einem Bundespolitiker versucht: Peter Harry Carstensen sollte nach fast 17 Jahren das einst schwarze Land zurückgewinnen. Auch ihm kam eine CDU-Parteiaffäre dazwischen. Denn im Dezember bescherten die Parteifreunde aus NRW den Nordlichtern die Nebenverdienstaffäre. Erst Hermann Josef Arentz, dann Laurenz Meyer. Statt auf einen hohen Sieg deutete plötzlich alles auf ein knappes Ergebnis. Am Ende hat Carstensen doch gewonnen – das Ende der Langzeitwirkung der Barschel-Affäre?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false