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Afghanistan: Abdullah boykottiert Stichwahl

Sechs Tage vor der geplanten Stichwahl in Afghanistan hat der Herausforderer von Präsident Hamid Karsai, Abdullah Abdullah, seine Teilnahme an der Abstimmung abgesagt. Der Präsidentschaftskandidat protestiert damit gegen Wahlmanipulationen, die Karsai initiiert haben soll.

Sechs Tage vor der geplanten Stichwahl in Afghanistan hat der Herausforderer von Präsident Hamid Karsai, Abdullah Abdullah, seine Teilnahme an der Abstimmung abgesagt. "Ich werde an der Wahl am 7. November nicht teilnehmen", sagte der frühere Außenminister am Sonntag in Kabul. Er protestiere damit gegen die "unangemessenen Taten" der Regierung und der umstrittenen Wahlkommission (IEC). Abdullah fürchtet, dass es während der Stichwahl abermals zu Wahlbetrug kommt, wie es ihn bei der ersten Runde am 20. August gegeben hatte. Er hatte erfolglos gefordert, dass Karsai den IEC-Chef und drei Minister ablöst.

Abdullah sagte, er habe sich die Entscheidung zum Rückzug nicht leichtgemacht. Mit gebrochener Stimme erklärte der ehemalige Außenminister vor Stammesältesten und Anhängern, er habe die Entscheidung im "Interesse der Nation" gefällt. Abdullah äußerte sich aber nicht dazu, ob er und Präsident Karsai die Macht hätten teilen können. Dies deutet darauf hin, dass entsprechende Kompromissgespräche mit dem Präsidenten gescheitert sind.

Amtsinhaber Karsai hatte sich erst nach internationalem Druck zu der für Samstag geplanten Stichwahl bereiterklärt, war auf die Forderungen Abdullahs aber nicht eingegangen. Zuletzt war der Druck auf Abdullah gewachsen, sich aus der Abstimmung zurückzuziehen. Westlichen Diplomaten zufolge war nur noch die Frage, ob er sein Gesicht wahren oder zum Boykott aufrufen würde. Abdullah sei sich darüber klargeworden, wie schmerzhaft eine zweite Runde für das Land sein würde, sagte ein Diplomat. Afghanistan war seit Wochen politisch gelähmt.

Karsais Wahlkampfmanager Wahid Omar sprach sich trotz Abdullahs Rückzug für eine Stichwahl aus. Omar sagte der britischen BBC: "Wir glauben, dass die Wahlen stattfinden müssen." Abdullahs Entscheidung sei "sehr unglücklich", da die Afghanen das Recht hätten, zwischen zwei Kandidaten zu wählen. Man müsse nun auf die Wahlkommission warten, die über die Stichwahl entscheiden werde.

Abdullah waren für die für kommenden Samstag geplante Stichwahl wenige Chancen eingeräumt worden. Nach dem um gefälschte Stimmen bereinigten amtlichen Endergebnis hatte er in der ersten Wahlrunde fast 20 Prozentpunkte hinter Karsai gelegen. Der Amtsinhaber hatte die absolute Mehrheit mit 49,67 Prozent der Stimmen knapp verfehlt. Daher war eine Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah notwendig geworden.

Die afghanische Verfassung sieht den Rückzug eines Kandidaten bei der Stichwahl allerdings nicht vor. Unklar blieb deshalb, ob Karsai nun ohne Stichwahl weiterregieren oder die Abstimmung trotz Abdullahs Rückzug stattfinden könnte. Artikel 61 der Verfassung bestimmt, dass der Präsident im ersten Wahlgang mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewählt werden muss. Der Präsident äußerte sich zunächst nicht. Nach offiziellen Angaben sind bereits rund 15 Millionen Wahlzettel für die Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah gedruckt.

Eine Stichwahl ohne Gegenkandidaten könnte die Legitimation Karsais weiter untergraben. Jedoch sagte die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton am Samstag, eine Entscheidung von Abdullah, nicht an der Wahl teilzunehmen, würde die Rechtmäßigkeit der Stichwahl nicht in Frage stellen.

Ein schwacher Präsident in Afghanistan würde die Aussichten auf eine baldige Stabilisierung des Landes deutlich verschlechtern. USA und Nato prüfen derzeit eine weitere massive Truppenaufstockung, um die wiedererstarkten Taliban fast neun Jahre nach ihrem Sturz endgültig zurückzudrängen. Der Oktober war für die amerikanischen Streitkräfte der tödlichste Monat seit Beginn des Krieges. Derzeit sind etwa 67.000 Amerikaner und 42.000 Alliierte am Hindukusch im Einsatz.

Die Taliban haben angekündigt, die Stichwahl am 7. November zu stören. Die Aufständischen hatten bei der ersten Runde am 20. August zahlreiche Anschläge und Angriffe verübt. Am vergangenen Mittwoch waren bei einem Angriff der Taliban auf ein UN-Gästehaus in Kabul auch fünf Mitarbeiter der Vereinten Nationen getötet worden. Die Aufständischen, die ein islamisches Emirat in Afghanistan und einen Abzug der ausländischen Truppen fordern, hatten den Angriff als Beginn ihrer Operation gegen die Stichwahl bezeichnet.  

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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