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Clinton

© AFP

Afghanistan: Alliierte Streitkräfte

Auf Deutschland kommen neue Meinungsverschiedenheiten mit der US-Regierung zu: Die USA sehen Nato-Einsätze wie den in Afghanistan als neue Normalität – und Deutschland als Bremser.

In der Debatte über das neue strategische Konzept der Nato, das bis Jahresende beschlossen werden soll, gehen die Vorstellungen über die Aufgaben der Allianz auseinander. Das hatte sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz abgezeichnet. Außenministerin Hillary Clintons Rede am Montagabend zum Auftakt einer hochrangigen internationalen Konferenz zum neuen Bündniskonzept in Washington bestätigte das nun.

Nach den Vorstellungen der USA und anderer Nato-Partner sind Out-of-Area- Einsätze wie in Afghanistan oder gegen Piraten vor Afrika nicht die Ausnahme, sondern die neue Normalität. Die Allianz solle zudem die Verantwortung für die Sicherung der Energieversorgung übernehmen. Differenzen gibt es auch bei der Zukunft der nuklearen Abschreckung, den Atomwaffen in Europa und im Umgang mit Russland.

Der Zweck der Nato bleibe derselbe wie seit ihrer Gründung, sagte Clinton: Verteidigung der Mitgliedstaaten, Stärkung des atlantischen Bündnisses und Förderung der europäischen Integration. Doch „die Art, wie wir diese Ziele verfolgen, muss sich an veränderte Umstände anpassen.“ Viele Bedrohungen „kennen keine Grenzen: Ob im Kampf gegen Piraten, die Plage des Terrorismus oder die Verbreitung gefährlicher Waffen, wir müssen den Gefahren begegnen, wo immer sie herkommen.“ Die Nato nutze freilich nicht nur militärische, sondern auch zivile Mittel. Bei der Abwehr von Cyberattacken per Internet müsse das Militär auch mit privaten Firmen kooperieren. Der Schutz der Energieversorgung „hat hohe Priorität“. Clinton lobte, dass Europa „seine Energiequellen diversifiziert“. Gemeint war der Bau der südlichen Nabucco-Pipeline in den Kaukasus, die die Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen verringern soll.

Clinton sprach die Konflikte bei der Ausarbeitung des neuen Konzepts nur indirekt an – und schuf so Raum für Interpretationen. Die Geschichte der Nato sei geprägt von „Bedrohungen von außen und Spaltungstendenzen von innen. Wir haben diese Herausforderungen stets gemeistert.“ Auffällig betonte sie den Artikel 5 des Nato-Vertrags, der den Beistand aller im Fall eines Angriffs auf ein Mitglied festlegt. Nach Darstellung von US- Diplomaten wollte sie die neuen osteuropäischen Bündnispartner beruhigen, die nach dem Georgienkrieg 2008 gezweifelt hatten, ob die Nato sie gegen einen russischen Angriff verteidigen werde. Einzelne Amerikaner behaupteten, dies sei auch eine Kritik an Deutschland. Die Zweifel der Ostmitteleuropäer richteten sich vor allem gegen Berlin wegen des engen Verhältnisses zu Moskau. Diese Darstellung wiesen polnische und baltische Konferenzteilnehmer auf Nachfrage jedoch zurück.

Clinton lud Russland mehrfach zu engerer Kooperation ein, wies die Forderung nach einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur neben der Nato aber zurück. „Wir glauben nicht, dass wir neue Verträge brauchen.“ Der Nato-Russland- Rat sei „ein gutes Forum“, und „die Nato bedroht Russland nicht“. Sie bekräftigte die Absicht, eine Raketenabwehr aufzubauen. Ein solches System „macht die Welt und macht Europa sicherer“. Russland könne bei der Entwicklung mitarbeiten und in den Schutz einbezogen werden. Sie sagte, „die Nato hält die Tür für neue Mitglieder offen“, ohne aber die Ukraine und Georgien zu nennen. Auf die Frage, ob sie sich Russlands Beitritt vorstellen könne, sagte sie: „Ich schon. Aber ich bin nicht sicher, dass Russland sich das vorstellen kann.“

Einen Abzug der Atomwaffen aus Europa lehnte Clinton ab, ohne auf Guido Westerwelles Vorstoß einzugehen. „Die nukleare Abschreckung bleibt ein wichtiges Element.“

Das strategische Konzept wird von einer internationalen Expertengruppe unter Leitung der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright erarbeitet. Es war zuletzt 1999 revidiert worden. Unter der Formel „Out of area or out of business“ beschloss die Nato damals, die Aktionen außerhalb des Bündnisgebiets auszuweiten. Es war auch eine Lehre aus den Balkankriegen. Nach dem Terrorangriff auf New York am 11. September 2001 erklärte die Allianz erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, ein Däne, hat mehrfach gesagt, die Nato sei „die einzige global handlungsfähige Sicherheitsagentur“ und damit ein natürlicher Partner bei der Sicherheitsberatung und Lösung von Konflikten weltweit.

Nach Darstellung amerikanischer Nato-Experten wird Deutschland als Bremser bei der Entwicklung des neuen Konzepts wahrgenommen. Es falle auf, dass es weniger öffentliche Debatten gebe als in anderen Bündnisstaaten. Offenbar schätze die Regierung eine Ausweitung der Nato-Aufgaben angesichts des unpopulären Afghanistankriegs als riskant ein.

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