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Tatort des Angriffs in Kabul: Der Eingang des Gästehauses

© Reuters/Omar Sobhani

Update

Afghanistan: Bewaffnete töten eine Deutsche in Kabul

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist schlecht. Unbekannte überfielen nun wieder Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Im Süden des Landes sterben viele Polizisten bei einem Taliban-Angriff.

Bewaffnete haben in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine Deutsche getötet. Zudem sei bei dem Angriff auf ein Gästehaus ein Wachmann umgebracht worden, sagte der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, Nadschib Danisch, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur weiter. „Eine finnische Frau wurde entführt“, fügte er hinzu.

Das Auswärtige Amt in Berlin hat bestätigt, dass die in Kabul getötete Ausländerin deutsche Staatsbürgerin ist. Weitere Angaben könne sie zunächst nicht machen, sagte eine Sprecherin am Sonntag in Berlin.

Der Angriff in Kabul ereignete sich nach Angaben des afghanischen Innenministeriums am Samstag um 23.30 Uhr (21.00 Uhr MESZ). Der britische Sender BBC berichtet, Ziel der Bewaffneten sei ein Gästehaus der schwedischen Hilfsorganisation Operation Mercy gewesen.

Die genauen Hintergründe waren zunächst unklar. „Wir können nicht sagen, ob der Zwischenfall einen kriminellen oder terroristischen Hintergrund hat, aber eine Untersuchung läuft“, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Die Täter seien entkommen.

Sicherheitsanalysten halten zwei Szenarien für denkbar. Zum einen könnte der Überfall das Werk der immer aktiveren Kidnapping-Mafia von Kabul sein. Der waren allein im vergangenen Jahr mindestens vier Ausländer - darunter eine Inderin, ein Amerikaner und ein Australier - sowie viele afghanische Geschäftsleute zum Opfer gefallen.

Die meisten Opfer kommen relativ schnell wieder frei. Der Amerikaner und der Australier, die Professoren an der Amerikanischen Universität waren, sind allerdings mittlerweile in den Händen der Taliban.

Informierte Kreise sagen, die Mafia habe Unterstützung bis in hohe afghanische Politkreise. Unter den Opfern sind auffallend viele Frauen. 2015 hatten Entführer in Kabul auch eine Mitarbeiterin der deutschen staatlichen Entwicklungshilfsorganisation GIZ entführt. Die Frau war nach rund zwei Monaten freigekommen.

Bisher hatten die Entführer ihre Opfer in den allermeisten Fällen aus ihren Autos entführt, auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause. „Sollte die Mafia jetzt anfangen, auch in Gästehäuser einzubrechen, wäre das eine klare Eskalation“, sagte ein internationaler Sicherheitsfachmann, der nicht genannt werden möchte, der dpa.

Zum anderen könne es sich um einen gezielten Angriff auf die NGO als christliche Organisation handeln. Solche glaubensbasierten Angriffe sind eher selten. Zuletzt hatten die Taliban 2014 das Gästehaus einer Organisation angegriffen, die sie für Missionare hielten. Besser würde so ein Angriff zur neuerdings in Kabul recht aktiven Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) passen.

Mehr Sicherheit am Stadtrand

Wegen der schlechten Sicherheitslage hatten ausländische Organisationen ihre Maßnahmen zuletzt weiter verstärkt. So hatte die staatliche deutsche Entwicklungshilfsorganisation GIZ im Mai erklärt, ihre Büros im Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul aufzugeben. Sie zog in ein schwer gesichertes Lager am Stadtrand.

Die GIZ schloss damit sechs der sieben Büro- und Wohngelände, die sie in den vergangenen Jahren - als Reaktion auf das Erstarken der radikalislamischen Taliban, mehr Anschläge in Kabul und eine gefährliche neue Kidnapping-Industrie - für Hunderttausende Euro mit Sprengschutzwänden und Stahlschleusen gesichert hatte.

Die Sicherheitssituation in Afghanistan hat sich seit dem Abzug der meisten internationalen Truppen 2014 stark verschlechtert. Das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif war schon im Winter nach einem Angriff der Taliban in das deutsche Militärlager umgezogen. 2015 waren zwei Mitarbeiter der GIZ entführt worden. Mittlerweile hat sich die Zahl der deutschen und internationalen Mitarbeiter von rund 200 auf rund 100 verringert.

Viele Tote bei Taliban-Angriff

Bei Angriffen der radikalislamischen Taliban auf mehrere Polizeiposten im Südosten Afghanistans sind am Sonntag mindestens 20 Polizisten getötet worden. Die koordinierten Attacken hätten vier Stunden gedauert, sagte der Gouverneur der Provinz Sabul, Bismillah Afghanmal, der Nachrichtenagentur AFP. Die Taliban bekannten sich auf ihrer Website zu den Angriffen.

Nach Angaben des Gouverneurs griffen die schwer bewaffneten islamistischen Kämpfer zeitgleich mehrere Polizeiposten im Bezirk Schah Dschoi an. Mindestens 15 weitere Polizisten seien verletzt worden, teilten die Behörden des Bezirks mit. Insgesamt seien sechs Polizeiposten angegriffen worden. Die Taliban verüben in ihrem Kampf gegen die Regierung Afghanistans regelmäßig Anschläge auf Polizei, Armee und Behörden. Ende April hatten sie ihre diesjährige Frühjahrsoffensive begonnen.

Im vergangenen Monat hatten die Taliban einen Militärstützpunkt in der nördlichen Stadt Masar-i-Scharif angegriffen. Dabei waren mindestens 135 Sicherheitskräfte getötet worden. Nach der verheerenden Attacke traten Verteidigungsminister und Armeechef zurück. (dpa, AFP)

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