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Nach dem Kampf. Sechs Selbstmordattentäter griffen in Kundus ein amerikanisches Hilfsunternehmen an. Mit ihnen starben fünf weitere Menschen. Foto: Naqeeb Ahmed/dpa

© dpa

Afghanistan: Deutscher Wachmann stirbt in Kundus

Die Taliban haben ein privates US-Hilfsunternehmen an gegriffen. Ein 32-jähriger Objektschützer aus Schleswig-Holstein ist bei dem Angriff am Freitag in Kundus getötet worden.

Berlin - Taliban-Milizen bekannten sich zu dem Angriff auf das neu eröffnete Büro des amerikanischen Hilfsunternehmens Development Alternatives Inc. (DAI). Sechs Selbstmordattentäter stürmten das Gebäude in der nordafghanischen Stadt. Mit dem deutschen Wachmann starb einer seiner afghanischen Kollegen, ein afghanischer Polizist sowie ein DAI-Mitarbeiter von den Philippinen und ein Brite, sagte der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohamma Omar.

Nach Angaben der US-Botschaft in Kabul flüchteten die meisten DAI-Mitarbeiter während der Kämpfe auf das Dach des fünfstöckigen Gebäudes. Nach Angaben des zivil-militärischen Aufbauteams (PTR) der Bundeswehr sind 22 Verletzte im Bundeswehr-Krankenhaus in Kundus behandelt worden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ließ mitteilen, dass die Bundesregierung den Anschlag „in aller Schärfe“ verurteile. Er sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa war der 32-Jährige vor seinem Engagement bei DAI Soldat bei der Bundeswehr.

Das Hilfsunternehmen DAI, das schon 1970 gegründet worden ist, ist einer der wichtigsten Partner der amerikanischen staatlichen Entwicklungshilfeorganisation USAID. DAI bietet seine Dienste überall da an, wo staatliche oder private Hilfsorganisationen sich nicht hintrauen, oder wo sie zu einer sehr engen Kooperation mit dem Militär gezwungen wären. Neben Afghanistan gehören der Irak, der Kongo, Sri Lanka und Osttimor zu den Einsatzorten der Firma. DAI hat keine Berührungsängste.

Das Unternehmen bietet seine Expertise vor allem den PRTs an, also den Militäreinheiten, die vor allem für den Schutz der Zivilbevölkerung zuständig sind und zudem die Bedingungen dafür schaffen sollen, dass Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) ihre Wiederaufbauhilfeprojekte beginnen können. Der erste Auftrag von DAI kam vom amerikanischen Verteidigungsministerium und bis heute ist es neben USAID einer der größten Kunden der Firma. DAI ist ein Unternehmen, das im Besitz seiner Belegschaft ist und rund 2000 Menschen weltweit beschäftigt. Nach eigenen Angaben unterhält DAI derzeit 100 Projekte in mehr als 60 Ländern.

In Afghanistan ist das Unternehmen in 23 von 34 Provinzen vertreten. Das wichtigste Programm in Afghanistan ist ein Projekt, mit dem lokale Verwaltungen befähigt werden sollen, ihre Arbeit zu tun. Dafür gibt es Geld für kleinere Bauprojekte wie etwa Brücken, Bewässerungsanlagen oder einzelne Straßenabschnitte. Außerdem berät DAI die Gemeinderäte und Bürgermeister beim Aufbau ihrer Verwaltungen und bei der Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen. Das Unternehmen betont in seiner Selbstdarstellung hohe ethische Standards. Deshalb warf DAI vor zwei Wochen auch zehn afghanische Mitarbeiter raus, die entweder Bestechungsgelder von Firmen verlangten, die sich um Aufträge aus dem beschriebenen Verwaltungsprogramm bewarben oder gleich selbst Subunternehmen gründeten, um die Aufträge selbst zu übernehmen – oder zumindest die Bezahlung dafür in Anspruch zu nehmen. Korruption werde nicht geduldet, schrieb das Unternehmen über den Rauswurf.

Im Gegensatz zu vielen Botschaften, aber auch ausländischen Truppen in Afghanistan, hat DAI offenbar seinen Wachschutz selbst rekrutiert – der 32-jährige Deutsche, der am Freitag getötet wurde, hatte die Aufgabe, das DAI-Büro in Kundus zu schützen. Das dürfte die Ausnahme sein. Denn in Afghanistan sind immer mehr private Sicherheitsfirmen mit dem Objektschutz betraut. In einer Studie des Congressional Research Service, dem Wissenschaftlichen Dienst des amerikanischen Parlaments, hat Moshe Schwartz ermittelt, dass im September 2009 insgesamt 11 423 private Wachleute in Afghanistan für das amerikanische Verteidigungsministerium im Einsatz waren. Davon waren 10 712 bewaffnet. Nur 71 Amerikaner arbeiteten für die privaten Sicherheitsfirmen, 1002 Objektschützer kamen aus anderen Staaten und 9639 waren Afghanen.

Das Schweizer Friedensforschungsinstitut Swiss Peace hat im vergangenen Jahr für eine Studie über die privaten Sicherheitsdienste in Afghanistan Interviews vor Ort gemacht. Das Fazit: „Die privaten Sicherheitsdienste bieten ihren Kunden Sicherheit, aber nicht der Bevölkerung.“ Kritisiert wird auch, dass die privaten Sicherheitsdienste keiner klaren Kontrolle unterliegen. Oft würden sie auch von einflussreichen Kriegsherren in Afghanistan eingesetzt und die Grenze zur privaten Miliz sei nicht immer leicht zu erkennen.

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