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Afghanistan-Einsatz

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Afghanistan-Einsatz: Den Gehorsam verweigert

Die Parteibasis der Grünen ist gegen eine Verlängerung des Tornado-Einsatzes in Afghanistan. Die Parteiführung will den Einsatz aber. Wird dieses Ergebnis die Partei spalten?

Vielen Grünen dämmert, dass es nicht einfach werden dürfte, die Doppelbotschaft ihres Göttinger Parteitags zu vermitteln. Einerseits stehen die Grünen weiter zum Bundeswehreinsatz im Rahmen der Schutztruppe Isaf in Afghanistan. Andererseits verlangen sie von ihren Bundestagsabgeordneten, sich bei der Entscheidung über die Fortsetzung des Isaf-Mandats zu enthalten oder dagegen zu stimmen, weil die Abstimmung im Bundestag mit der Entsendung von Aufklärungstornados verbunden wird. Die Mehrheit des Göttinger Parteitags hat sich gegen die Tornados ausgesprochen. Ein Parteikenner sagte, dass sich Linken-Chef Oskar Lafontaine nun die Hände reiben könne, denn der Druck der Linkspartei auf die Grünen habe zu einer Mehrheit gegen die deutschen Bundeswehrmandate in Afghanistan geführt.

Tatsächlich freute sich Lafontaine über die Niederlage, die die Grünen-Parteiführung am Samstag auf ihrem Afghanistan-Sonderparteitag in Göttingen erlitten hatte. Lafontaine ließ ausrichten: „Ich begrüße die Forderung nach einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.“ Nur haben die Grünen das gar nicht beschlossen. Im Antrag von Robert Zion, der die Mehrheit der Delegiertenstimmen gewann, heißt es: „Der begonnene zivile Aufbau muss zu einem erfolgreichen Ende geführt werden. Wir dürfen die Menschen in Afghanistan jetzt nicht einfach allein lassen. Solange dazu noch militärische Absicherung erforderlich ist, so lange ist die Anwesenheit der internationalen Schutztruppe Isaf notwendig.“ Die grüne Basis hatte sich im Frühjahr über die Bundestagsfraktion aufgeregt, weil die meisten Abgeordneten der Entsendung der Tornados zugestimmt hatten. Damit sah die grüne Basis einen Parteitagsbeschluss verletzt. Robert Zion und andere starteten deshalb die Initiative zum Sonderparteitag, bei dem die grüne Führung nun glatt durchgefallen ist. Aus Fraktionskreisen heißt es, die Parteibasis habe sich wohl gedacht: „Wenn die Abgeordneten tun, was sie wollen, machen wir auch, was wir wollen.“ Der grüne Verteidigungspolitiker Winfried Nachtweih ist jedoch der Auffassung, dass das Abstimmungsergebnis „kein Rückfall in die Zeiten der Fundamentalopposition“ sei. In Fraktionskreisen heißt es: „In der Opposition wollen Parteimitglieder von ihrer Führung überzeugt werden.“ Das Argument, die Koalition breche, das zu Regierungszeiten gerne herangezogen wurde, sei derzeit nicht verfügbar. Die Botschaft, die die Grünen hatten vertreten wollen – für Isaf und gegen die US-geführte Operation Enduring Freedom –, sei nicht mehr vermittelbar, sagt ein Parteikenner.

Parteichefin Claudia Roth ärgert sich: Lafontaine solle gefälligst die grünen Beschlüsse lesen. Auch Vize-Fraktionschef Jürgen Trittin zweifelt an der „Lesefähigkeit“ des Linken-Chefs. Was der Parteitag beschlossen habe, habe „nichts mit der Position der Linken zu tun“, die einen sofortigen Abzug der Bundeswehr fordert, meinte Roth. Sie betont die „Kontinuität der bisherigen Politik“. Im Oktober, bei der Abstimmung im Bundestag, will Roth sich enthalten. Allerdings sagt sie auch, es gebe „kein imperatives Mandat“. Auch wenn die Grünen-Spitze eine Niederlage erlitten hat, findet sie: „Der Partei schadet das am wenigsten.“

Winfried Nachtweih sieht eine „erhebliche Schlappe für die Parteiführung“, sagt aber selbstkritisch: „Wir haben im Vorfeld nicht die notwendige Klarheit und Einigkeit zustande gebracht.“ In Fraktionskreisen wird darauf verwiesen, dass 15 Parlamentarier einen Antrag von Daniel Cohn-Bendit und Rebecca Harms unterstützt hätten, der eine Zustimmung zu den Tornados verlangt habe. Das habe die Autorität der Parteiführung zerstört. Jürgen Trittin findet, dass der Bundesvorstand die Fehler der Fraktionsführung habe ausbaden müssen. Hätte die Mehrheit der Fraktion nicht für die Tornados gestimmt, hätte es auch keinen Sonderparteitag gegeben. Nachtweih hofft, dass sich die Fraktion nun darauf einigt, dass eine große Mehrheit sich bei der Abstimmung im Bundestag enthält. Man dürfe nun nicht „mit einem Auseinanderlaufen der Fraktion antworten“. Doch eine Reihe Abgeordneter hat schon angekündigt, trotzdem für die Verlängerung der Bundeswehrmandate zu stimmen. Fraktionschefin Renate Künast warnt, dass die Grünen „viele Jahre Einfluss“ verlieren könnten. Bütikofer stimmt zu: „Es wäre ein Fehler, wenn die grüne Politik sich hinter das Erreichte zurückentwickeln würde.“ Das will zwar auch die Mehrheit an der Basis nicht. Aber leicht macht sie es ihrer Parteiführung nicht.

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