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070905kabinett

© dpa

Afghanistan-Einsatz: "Keine schnelle Lösung“

Dran bleiben: Die Bundesregierung debattiert ein neues Afghanistankonzept und stockt die Mittel für zivilen Wiederaufbau auf.

Von Hans Monath

Es war aus Sicht der Bundesregierung wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um nach mehr Kampftruppen zu rufen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem das Kabinett sein überarbeitetes Afghanistankonzept verabschiedete, ging Nato-Stabschef, der deutsche Vier-Sterne-General Rainer Schurwirth, vor die Presse und verlangte dringend mehr Flugzeuge, Hubschrauber und Kampftruppen für die Internationale Stabilisierungstruppe (Isaf), um Stabilität und Fortschritte in Afghanistan zu sichern.

Eigentlich hätte man in Berlin die meist auf militärische Fragen konzentrierte Debatte über Afghanistan gern auf die gesellschaftliche Entwicklung des Landes und den deutschen Beitrag dazu gelenkt. Insgesamt, bilanziert das vom Auswärtigen Amt sowie dem Innen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium überarbeitete Konzept, schreite dieser Aufbau voran. Im Zentrum des deutschen Engagements, so versichert die Regierung, blieben zivile Bemühungen um die friedliche Entwicklung des Landes.

Mit den Defiziten der Bemühungen zum Wiederaufbau des Nachkriegslandes geht der Bericht offener um als seine Vorläufer. Denn der neue Text soll wohl nicht nur als Handlungsanleitung, sondern auch als Argumentationspapier im politischen Meinungskampf dienen. Angesichts der massiven Ablehnung der Bundeswehreinsätze durch eine Mehrheit der Deutschen und der Skepsis in der SPD hatte die Bundesregierung schon vor der Sommerpause entschieden, aktiver und energischer als bisher für die Verlängerungen der Militärmandate zu werben, die in diesem Herbst anstehen.

Zugleich verspricht das Konzept, die erkannten Defizite durch neue Anstrengungen zu beheben: Insbesondere soll die Ausbildung von afghanischer Armee und Polizei beschleunigt werden. Auch die Hilfe zum zivilen Wiederaufbau soll um 25 Millionen auf 125 Millionen aufgestockt werden und schneller fließen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) versprach am Mittwoch, die Regierung wolle „eine zivile Aufbauoffensive starten“. Die deutsche Hilfe zum Wiederaufbau müsse „schneller kommen und auch entlegene Gebiete erreichen“.

Sorgen macht der Bundesregierung die sich verschlechternde Sicherheitslage, die schleppenden Fortschritte beim Aufbau von afghanischer Verwaltung und Justiz sowie der Boom der Drogenindustrie, der die gesamte Gesellschaft destabilisiert. Weil spürbare Fortschritte ausblieben, setze die afghanische Bevölkerung noch immer zu wenig Vertrauen in die Absichten der Helfer und eine selbstbestimmte Zukunft. Für das Drogenproblem werde es aber „keine schnelle und effektive Lösung geben“.

Ziel des Engagements ist die Übergabe der Verantwortung in afghanische Hände. Doch der Aufbau der Sicherheitsstruktur hinkt hinter den Planungen her. Mit 370 000 Soldaten habe die afghanische Armee bisher nur die Hälfte der Sollstärke (70 000) erreicht. Auch diese Zahl steht nur auf dem Papier. „Aufgrund von Desertionen und Ausbildungs- und Ausstattungsmängeln“, so heißt es, liege die „tatsächliche Einsatzbereitschaft“ derAfghanen nur bei rund 16 000 Soldaten.

Mit Blick auf die Debatte über sogenannte Kollateralschäden beim Krieg in Afghanistan erläutert der Bericht, sowohl die Isaf-Befehlshaber wie auch die der Antiterrormission „Operation Enduring Freedom“ seien angewiesen, zivile Opfer unter Aufbietung aller Kräfte so weit wie möglich auszuschließen.

Im Gegensatz zu SPD-Fraktionschef Peter Struck, der zehn Jahre Engagement in Afghanistan voraussagt, vermeidet das Konzept eine Festlegung. Auch die Kanzlerin nennt kein Datum für einen Rückzug aus einem stabilisierten Afghanistan. Der Einsatz werde „nicht in einem oder zwei Jahren schon beendet sein“, sagte sie dem TV-Sender N 24: Es werde „ein mittelfristiger Zeitraum“.

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