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Afghanistan-Einsatz: Merkel lehnt schnellen oder gar alleinigen Abzug ab

Trotz der schweren Verluste der Bundeswehr in Afghanistan hält die Bundeskanzlerin den Einsatz für alternativlos. In einer Regierungserklärung vor dem Bundestag äußert Angela Merkel zugleich Verständnis für die Zweifler.

Es ist keine einfache Rede für Angela Merkel. Sie spricht im Bundestag mit getragener Stimme. Erst spricht sie über die Soldaten, die gestorben seien, "weil sie Afghanistan zu einem Land ohne Terror und Angst machen wollten". Dann äußert die Kanzlerin Verständnis für Zweifel, räumt gar eigene Zweifel ein, "denn erst wenn wir uns den Zweifeln stellen, können wir den Einsatz verantworten", sagt sie. Doch schließlich stellt sie sich uneingeschränkt hinter das militärische Engagement der Bundeswehr in Afghanistan. Einen "überstürzten oder gar alleinigen Abzug" lehnt die Bundeskanzlerin genauso ab, wie die Diskussion über ein neues, erweitertes Mandat. Merkel steht unter Druck. Es ist nicht ihre erste Regierungserklärung in Sachen Afghanistan, die sie am Mittwoch im Bundestag abgibt. Aber vielleicht ist es ihre bislang schwierigste. Sieben deutsche Soldaten sind in den letzten Wochen bei zwei Gefechten gegen die Taliban ums Leben gekommen, die militärische Situation im deutschen Einsatzgebiet rund um Kunduz wird immer unübersichtlicher. Dabei hat die geplante Großoffensive gegen die Taliban im Norden Afghanistans noch gar nicht begonnen.

Auch in der Union gibt es Zweifel am Einsatz

Doch an der Heimatfront nimmt die Skepsis gegenüber dem Bundeswehreinsatz weiter zu, die Mehrheit der Deutschen lehnt ihn laut Umfragen ab. Immer mehr Bundesbürger fordern zudem, die Bundeswehr so schnell wie möglich vom Hindukusch zurückzuholen. Die SPD diskutiert bereits über einen konkreten Abzugstermin. Selbst in der Union nimmt die Skepsis zu, hinter vorgehaltener Hand geben auch in Merkels Partei immer mehr Abgeordnete ihre Zweifel zu Protokoll. Merkel weiß also, sie muss in Deutschland intensiver für die Akzeptanz des Bundeswehreinsatzes werben, in der Bevölkerung genauso wie unter den Bundestagsabgeordneten, sonst verliert dieser seine politische Legitimationsgrundlage. Merkel hat sich bei ihrer Regierungserklärung zu einer offensiven Strategie entschlossen. Sie räumt zwar ein, dass sich Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft in Afghanistan "unrealistisch hohe oder gar falsche Ziele" gesetzt habe, sie spricht von "Fortschritten" und "Rückschritten". Im Kern aber verteidigt sie die Politik der Bundesregierung, die Beschlüsse der Vereinten Nationen und die militärische Strategie der Nato, in die die Bundeswehr eingebunden ist.

"Ich stehe weiter hinter dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan", sagt sie, er diene nicht nur der Sicherheit der Bevölkerung dort, sondern sei Teil des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus. Sie erinnert an den Satz des früheren sozialdemokratischen Verteidigungsministers Peters Struck, dieser hatte einst erklärt, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Ein neues Mandat lehnt sie ab, das bestehende Mandat, sei über jeden verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Zweifel erhaben, sagt die Kanzlerin. Und mit einem Seitenhieb auf die SPD fügt schließlich hinzu, "wir können von den Soldaten nicht Tapferkeit erwarten, wenn uns selbst der Mut fehlt, uns dazu zu bekennen, was wir beschlossen haben". Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte in der vergangenen Woche in einem Zeitungsinterview die Frage aufgeworfen, ob nicht ein neues Mandat notwendig sei, wenn immer mehr Mitglieder der Bundesregierung von einem Krieg in Afghanistan reden. Doch aus einer semantischen Frage wurde schnell eine politische Debatte. In seiner Entgegnung auf die Regierungserklärung der Kanzlerin bekannte sich der SPD-Vorsitzende am Mittwoch zu dem Bundeswehreinsatz. Er forderte die Bundesregierung aber zugleich auf, sich mit ihrer Kriegsrhetorik zurückzuhalten. Noch kann sich die schwarz-gelbe Bundesregierung der Unterstützung der größten Oppositionspartei also sicher sein. Dies kann sich aber sehr schnell ändern, denn die ganze innenpolitische Stimmung in Sachen Afghanistan ist fragil. Zumal zu erwarten ist, dass noch mehr deutsche Soldaten in Zinksärge aus Afghanistan zurückkehren und die Bundeswehr immer tiefer in den militärischen Konflikt mit den Taliban hineingezogen wird.

Merkel: Einsatz ist "nicht auf Dauer eingestellt"

Auf der anderen Seite deutet Merkel in ihrer Regierungserklärung nur sehr vage an, wann und wie der Bundeswehreinsatz in Afghanistan enden könne. Eines ist für die Kanzlerin klar, "unser Einsatz ist nicht auf Dauer eingestellt". Aber einen schnellen oder alleinigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan lehnt sie ab, wer dies fordere handele "unverantwortlich", die Folgen für die internationale Gemeinschaft und unsere eigene Sicherheit wären "unabsehbar", sie könnten "weit verheerender sein, als die Anschläge von 2001". Das Konzept der Bundesregierung wie der Nato für Afghanistan heißt "Übergabe in Verantwortung". Nach und nach soll die Verantwortung für die militärische Sicherheit in Afghanistan wieder in die Hände der einheimischen Regierung und der einheimischen Soldaten gelegt werden. Gleichzeig sollen sich die ausländischen Soldaten nach und nach zurückziehen. Wie lange es dauern wird, bis der letzte Bundeswehrsoldat aus Afghanistan nach Deutschland zurückgekehrt ist, darüber schwieg sich die Kanzlerin bei ihrer Regierungserklärung allerdings aus. Ob dies reicht, um für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wieder mehr Verständnis oder Unterstützung in der deutschen Bevölkerung zu erhalten, daran lässt sich Zweifeln. Zulange hat die deutsche Politik schließlich die tödlichen Gefahren des Einsatzes am Hindukusch schön geredet und die Deutschen und ihre Soldaten in falscher Sicherheit gewiegt.

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