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Afghanistan: Gemeinsam rein, gemeinsam raus

Die USA stocken ihre Truppen in Nordafghanistan offenbar massiv auf, unter anderem in Kundus, dem zweitgrößten Standort der Bundeswehr im Land. Was bedeutet das für den deutschen Einsatz?

Von deutscher Seite möchte niemand offiziell sagen, wie viele der rund 30 000 zusätzlichen US-Soldaten für Afghanistan auch in den unter deutschem Kommando stehenden Norden abkommandiert werden. Verteidigungspolitikern aber ist seit längerem klar, dass es sich durchaus um „eine Hausnummer“ handeln wird. Ohne Zahlen zu nennen, geht das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow davon aus, dass die Amerikaner ihre Präsenz dort „bis Mitte des Jahres“ erklecklich aufstocken werden. „Wir sind Isaf, wir haben alle das gleiche Ziel“, sagt Sprecher Jörg Langer und meint, alle ziehen an einem Strang. Kämen US-Soldaten, verbesserten sich die Fähigkeiten der Truppe. Wenn ein Gutteil von ihnen afghanische Sicherheitskräfte ausbilde, habe das „positive Effekte“. Die Fachpolitiker sehen das offenbar ähnlich, schließlich soll es auf der Afghanistankonferenz Ende Januar in London auch um eine Abzugsperspektive gehen. Bisher ist die afghanische Armee nach Einschätzung des Chefs der Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, ab Kompaniestärke „weit davon entfernt“, eigenständig oder in Kooperation mit Verbündeten zu kämpfen. Eine Kompanie sind 60 bis 250 Soldaten.

Politiker von CDU, SPD und Grünen finden es eine gute Sache, wenn die USA auch im Norden kräftig in die Ausbildung investieren. Einen Affront gegen die Deutschen sehen sie darin nicht.

Nach Informationen des Grünen-Verteidigungsexperten Omid Nouripour sollen die US-Soldaten – von rund 2500 Mann ist die Rede – in der gesamten Provinz Kundus stationiert werden. Dass rund 1000 von ihnen Polizisten ausbilden sollten, „freut mich sehr. Wenn die Deutschen dort so wenig tun …“ Allerdings würden die Deutschen durch den verstärkten US-Einsatz an Einfluss verlieren.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff und ihr CDU-Kollege Ernst-Reinhard Beck wollen am 27. Januar im Verteidigungsausschuss von der Regierung wissen, wo und wie die US-Soldaten eingesetzt werden sollen und welche Konsequenzen das für die Bundeswehrsoldaten hat. Es müsse auch besprochen werden, was die neue US-Strategie bedeute, wonach Isaf-Soldaten sich stärker unters Volk mischen sollen, damit die Bevölkerung besser geschützt ist und sich nicht auf die Seite der Aufständischen schlägt. Aus Sicht von Oberbefehlshaber Stanley McChrystal ist dadurch mit mehr toten Soldaten zu rechnen. „Wir müssen in der Nato diskutieren, ob wir das wollen und in Kauf nehmen“, sagt Hoff.

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), findet, „wir sollten angesichts der verschlechterten Sicherheitslage im Norden froh sein, dass die USA bereit sind, dort beträchtlich mehr zu machen“. Das könne aber nur effektiv sein, „wenn es nicht ein Neben- oder gar Gegeneinander gibt, sondern ein Miteinander, in dem Synergien gefunden werden“. Das sicherzustellen sei Aufgabe von General McChrystal. Angesichts der unter ihm der deutschen Linie angenäherten Strategie sehe er da aber keine Probleme: „Wir sollten nicht so selbstgerecht sein.“ Polenz begrüßt ausdrücklich die stärkeren Ausbildungsanstrengungen. Auf der Afghanistankonferenz werde die Ausbildung eine entscheidende Frage sein. „Dort müssen wir klare Ziele und Zeiten mit der afghanischen Regierung vereinbaren.“ Dann werde man sehen, wie viel die USA und wie viel andere übernehmen. „Gegebenenfalls muss dann auch das deutsche Mandat angepasst werden.“ Besonders groß sei der Bedarf bei der Polizeiausbildung. Allerdings warnt Polenz davor zu glauben, eine Nation, in deren Bereich die Verantwortung rascher an die Afghanen abgegeben werden könne, könne dann abziehen. „Das heißt, dass die Ressourcen dann für andere Aufgaben frei werden“, sagte er. Es gelte: Gemeinsam rein und gemeinsam raus.

Auch SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold findet, „wir müssen nicht darüber klagen“, dass die Amerikaner im Norden mehr tun. Das entspanne manche Diskussion in Deutschland. Wichtig sei, dass in Kundus 1500 Polizisten ausgebildet und „verlässlich bezahlt“ werden. Denn ohne Polizei könnten Soldaten nicht viel ausrichten. Auf Dauer könne Deutschland das nicht allein zahlen, aber es sei leistbar, denn ein Polizist verdiene im Monat so viel, wie ein Deutscher an Auslandszuschlag am Tag – rund 110 Euro. Das deutsche Mandat müsse man nicht unbedingt erhöhen. Wenn Faisabad stabil bleibe und übergeben werden könne, würden dort 400 Leute frei.

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