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Afghanistan: Kanadischer Poker

Die Regierung in Kanada wankt. Der Bundeshaushalt, die Kriminalitätsbekämpfung, aber auch der verlustreiche Afghanistan-Einsatz sind eine explosive Mischung für die Minderheitenregierung.

Es ist eine politisch explosive Mischung: Afghanistan, Bundeshaushalt, Kriminalitätsbekämpfung. Dies sind die drei Themen, bei denen Kanadas Regierung in den kommenden Wochen ihre Politik im Parlament von Ottawa zur Abstimmung stellen will. Alle drei Themen haben das Zeug, sich zu Vertrauensfragen zu entwickeln, die die gerade erst zwei Jahre währende Amtszeit der Regierung vorzeitig beenden könnten. Denn sowohl die konservative Minderheitsregierung von Premierminister Stephen Harper als auch die Liberalen als größte Oppositionspartei suchen seit einigen Monaten nach einer Gelegenheit, Neuwahlen zu provozieren.

Beim Thema Afghanistan geht es darum, ob und wie sich Kanada künftig in der besonders umkämpften Südregion des Landes engagiert. In knapp einem Jahr läuft das bisherige Mandat aus, nach dem derzeit bis zu 2500 kanadische Soldaten in der Region um Kandahar stationiert sind. Die Harper-Regierung will den Einsatz verlängern – aber nur unter der Voraussetzung, dass andere Nato- Partner die Kanadier mit 1000 zusätzlichen Soldaten unterstützen. Über diese Position will Harper jetzt das Parlament bis Ende März abstimmen lassen. Das setzt vor allem die Liberalen unter Druck, unter deren Regierungszeit der Afghanistaneinsatz vor sechs Jahren begann, die sich aber jetzt zunehmend dafür aussprechen, nach 2009 statt Kampfeinsätzen mehr Aufbauarbeit in Afghanistan zu leisten.

Dass der innenpolitische Streit um Afghanistan tatsächlich die Regierung zu Fall bringt, daran glauben viele kanadische Beobachter allerdings bislang noch nicht. „Wenn die Regierung fällt, dann nicht alleine wegen Afghanistan, sondern wegen einer Reihe von Themen“, sagt Jeffrey Kopstein, Politikprofessor und Direktor des Zentrums für europäische, russische und eurasische Studien an der Universität von Toronto, dem Tagesspiegel. „Weder die Opposition noch die Regierung wollen sich auf einen Wahlkampf einlassen, der sich nur um Afghanistan dreht.“

Für Nelson Wiseman, Politikprofessor und Experte für politische Kultur Kanadas an der Universität Toronto, handelt es sich um Politpoker: „Da wird im Moment viel geblufft. Bei den letzten beiden Wahlen 2004 und 2006 war Afghanistan kein Thema, und auch diesmal will keine der beiden großen Parteien damit Wahlkampf machen – das wäre töricht.“ Davon würden höchstens die linke Partei NDP und der Bloc Québécois der frankofonen Separatisten profitieren, die beide für einen sofortigen Rückzug aus Afghanistan sind. Dennoch gibt Wisemann der aktuellen kanadischen Regierung höchstens noch eine Überlebensfrist von ein paar Wochen. Seine Prognose: „Wir werden in diesem Frühjahr eine Wahl haben – aber die Liberalen werden die Regierung über das Budget zu Fall bringen, nicht über Afghanistan.“

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